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Auf Bahnsteig eins wurde ein Stand zur Hilfsgüterannahme und -ausgabe eingerichtet.

Foto: APA/Roland Schlager

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Die Ankommenden werden von ÖBB-Mitarbeitern und Freiwilligen mit Plakaten empfangen.

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Wien – Als Dienstagfrüh der erste direkte Zug aus Budapest am Wiener Westbahnhof ankommt, steht eine kleine Gruppe Helfer mit dutzenden Wasserflaschen am Bahnsteig und wartet darauf, diese an die Flüchtlinge zu verteilen. Andere Freiwillige halten Plakate in die Höhe, auf denen in arabischer Schrift "Herzlich willkommen" steht. Eine junge Frau erkundigt sich, wie das mit dem Dolmetschen genau ablaufen soll. Sie will mit ihren Sprachkenntnissen helfen.

Als der Zug aus Budapest an Bahnsteig sieben hält, steigen etwa ein bis zwei Dutzend Menschen aus, auf die diese Helfer alle gewartet haben. Einige Kinder sind darunter. Ein ÖBB-Servicemann geht voran und zeigt den Menschen am langen Bahnsteig, in welche Richtung sie müssen.

Budapester Ostbahnhof geschlossen

Allein am Montag zwischen 17:00 und 24:00 Uhr zählte die Wiener Polizei 3.650 Flüchtlinge am Wiener Westbahnhof, wie Polizeisprecher Patrick Maierhofer zur APA sagte. Am Dienstagvormittag kommen in den einzelnen Zügen eher kleine Gruppen an. Bis zum frühen Nachmittag zählt die Polizei etwa 70 Personen. Die meisten dieser Flüchtlinge scheinen es in Regionalzügen über die Grenze zu schaffen.

Kurz vor zehn Uhr heißt es, dass der Budapester Ostbahnhof geschlossen worden sei. Nach Mittag kommt die Nachricht, dass er wieder geöffnet sei, Flüchtlingen aber der Zutritt zu den Zügen verwehrt werde. Am Nachmittag wird es von der Polizei in Wien heißen, dass gar keine Flüchtlinge aus Ungarn am Wiener Westbahnhof ankommen. Etwa 500 Personen, die es am Vortag in einen Zug geschafft hatten, verbrachten die Nacht auf dem Bahnhofsgelände, von der Caritas mit Schlafsäcken versorgt. Die ÖBB hatten Waggons und Büroräume zum Übernachten bereitgestellt.

Isabelle Wülbeck stieg Dienstagfrüh in Budapest in einen Zug nach Wien und zeigt sich schockiert: "In Budapest haben sie die Leute nur vereinzelt in die Waggons gelassen. Nur offensichtlich nach Touristen aussehende Menschen hatten eine Chance. Die anderen wurden angeschrien, sie sollen Abstand halten", sagt die 19-jährige Studentin aus Salzburg. "Mein Abteil war leer, der Bahnsteig komplett voll. Ich habe mich so schlecht gefühlt."

Syrer helfen mit

Unter den freiwilligen Helfern auf dem Wiener Westbahhof sind mehrere Syrer wie Rabee H., der selbst vor einem Jahr nach Wien geflohen ist und in Österreich inzwischen Asyl bekommen hat. Der 24-Jährige sagt, er habe schon Kopfweh, er habe seit 26 Stunden nicht geschlafen, weil er seit dem Vortag mitgeholfen habe. Trotzdem lacht und scherzt er mit seinen Landsleuten.

Unter jenen, die gerade erst einen Fuß auf Wiener Boden gesetzt haben, ist eine junge Mutter aus Damaskus. Dimas drei Töchter im Alter von zwölf, zehn und vier Jahren und ihr Mann befinden sich nach wie vor in Syrien. "Ich wollte sie nicht den Gefahren der Flucht aussetzen", sagt die junge Frau, die gute zwei Wochen des Weges durch die Türkei und Europa hinter sich hat. Mit Tränen in den Augen fügt sie an, dass sie hofft, ihre Familie nachzuholen und dass sie nur in ein freies Land wolle, wo ihre Kinder die Schule besuchen können.

Weiterfahrt nach München

Dima und ihre Freunde, die sie auf der Flucht kennengelernt hat, werden zu Bahnsteig eins weitergeleitet. Dort haben die Helfer einen Stand mit Tee, Essen, Hygieneartikeln und Spielzeug aufgebaut. Ein Kind bekommt eine Tasche mit Spielsachen in die Hand gedrückt, die es kaum tragen kann. Viele Menschen wollen helfen und bringen Lebensmittel vorbei oder Kleidung. Auch dutzende Journalisten machen sich ein Bild von der Situation.

Die Syrerin Dima weiß gar nicht, wohin mit der Wasserflasche und einer Packung Feuchttücher, die sie gerade bekommen hat. Wenig später wird sie mit Freunden aus ihrem Heimatland, die sie auf dem Weg durch Europa kennengelernt hat, in einen Zug Richtung München steigen. Unbehelligt von der Wiener Polizei. Nur vereinzelt sind Beamte zu sehen, die am Rande der Bahnsteige stehen. Die Polizei hielt sich bereits am Montag auffallend zurück. Eine "lückenlose" Kontrolle sei derzeit nicht möglich, erklärte ein Polizeisprecher Montagabend. Keine einzige Person habe am Dienstag am Westbahnhof Asyl beantragen wollen, heißt es am Nachmittag.

Bei einer Koordinierungssitzung der Einsatzorganisationen am Nachmittag wurde vereinbart, dass die Caritas sowohl das Sachspendenmanagement als auch die Koordination der Dolmetscher auf dem Westbahnhof übernimmt. Ab 19.00 Uhr sollen in einem leer stehenden Bürogebäude neben dem Westbahnhof auch Feldbetten aufgestellt werden. (Gudrun Springer, 1.9.2015)