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Im Vorfeld der Wien-Wahl sieht eine unselige Allianz aus medialem Boulevard und Rechtsparteien den Augenblick gekommen, die alternative Trutzburg in ihrem Lebensnerv zu treffen.

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"Kunst muss wehtun! Aber wem? Hoffentlich nicht denen, die sie machen!" Solcherart Töne sind im kulturpolitischen Diskurs eine wahre Seltenheit geworden. Die Ansage entstammt einem Interview, das Ursula Pasterk 1984 in ihrer Funktion als Intendantin der Wiener Festwochen der damals noch jungen Stadtzeitung "Falter" gegeben hat. Mittlerweile sind mehr als 30 Jahre vergangen, in denen die "rote Ursel", wie Pasterk von FPÖ und Bürgerlichen oft als Feindbild gebrandmarkt wurde, in der Abfolge der Wiener Kulturressortverantwortlichen sicherlich die umstrittenste und einprägsamste Erscheinung war. Doch auch global betrachtet, kann man auf eine bewegte und bewegende Zeit zurückblicken, in der gesellschaftliche und politische Veränderungen eben nicht zuletzt auch an der Entwicklung der kulturellen Landschaften abzulesen sind.

Im Kulturleben der Bundeshauptstadt ist nach vorangegangener Besetzung das zu Beginn der 1980er-Jahre gegründete Wuk nicht mehr wegzudenken, möchte man meinen. Denn tatsächlich sollte der hegemoniale Sog einer kommerziellen Verwertungslogik auch das bis heute größte selbstverwaltete Kunst- und Kulturzentrum Österreichs keineswegs verschonen. Als soziokulturelle Experimentierstätte einer kritischen Avantgarde und unabhängigen Selbstorganisation trotzt die ehemalige Lokomotiv-Fabrik an der Währinger Straße einer Welt, in der der Wert ihrer Funktionen zunehmend schwer zu behaupten ist. Das Wuk bietet Raum für Kreativität, niederschwellige Kulturveranstaltungen, alternative Bildungswege, Berufsorientierung und vielfältige Entfaltungsmöglichkeiten für Menschen mit unterschiedlichsten Benachteiligungen.

Alternative Trutzburg

Daraus zieht vor allem ein auf Demokratie und Pluralismus bedachtes Gemeinwesen großen Nutzen. Eigentlich – denn wären da nicht die geradezu ausufernden Zwänge, die nicht in Profitkategorien erfassbaren Leistungen autonomer Kulturprojekte dem Paradigma einer steten neoliberalen Optimierung zu unterwerfen, hätte sich vielleicht auch in der städtischen Verwaltung die Einsicht nachhaltig festgeschrieben, dass die Herausforderung Wuk zuvorderst darin besteht, der sich rasant abzeichnenden Entpolitisierung der Politik durch eine politisch mutige Gewährleistung der infrastrukturellen Grundlagen entgegenzutreten. Seit einigen Monaten steht es jedoch in dieser Frage Spitz auf Knopf – der Schmerzgrenze gefährlich nahe.

Nach Vereinbarungen mit der Stadt Wien aus dem Jahre 1988 gilt das Wuk als alleiniger Nutzer des eineinhalb Jahrhunderte alten Backsteinbaus. Bereits zu dieser Zeit, also kurz nachdem Pasterk ihr Amt als neue Kulturstadträtin angetreten hatte, wurden erstmals Mietvertragsverhandlungen aufgenommen. Nach einem jahrzehntelangen Hin und Her steht eine einvernehmliche Lösung jedoch bis heute aus.

Stattdessen hat sich schon im frühen Vorfeld der Wiener Gemeinderats- und Landtagswahlen 2015 eine unselige Allianz aus medialem Boulevard und Rechtsparteien breitgemacht, die nun den Augenblick gekommen sieht, die alternative Trutzburg in ihrem Lebensnerv zu treffen. Das Wuk hat sich nie einem Abkommen bezüglich einer Raummiete verschlossen, die – und das sollte auch das klare kulturpolitische Bekenntnis sein – den finanziellen Möglichkeiten einer nicht gewinnorientierten Kultureinrichtung Rechnung trägt. Mit der zurzeit dringend gebotenen Sanierung größerer Gebäudeteile ist allerdings mittlerweile auch die für Bau- und Gebäudemanagement zuständige Magistratsabteilung (MA 34) auf den Plan getreten, die in erster Linie marktübliche Richtwerte im Auge hat und die notwendige Renovierung an eine Jahresmietforderung in Millionenhöhe knüpft.

Sündenfall für sozialdemokratische Kulturpolitik

Das kann tatsächlich äußerst schmerzhaft werden! Doch noch schwerer wiegt der Sündenfall, der sich dabei für die sozialdemokratische Kulturpolitik abzuzeichnen droht. Die rechte Opposition setzt bereits ihre Messer an und schlägt dabei wie wild um sich. "Wir fordern den sofortigen Stopp an Subventionszahlungen", so FPÖ-Kultursprecher Gerald Ebinger. "Diese hemmungslose Geldverschwendung in Sachen Kultur, wie sie von der SPÖ seit Jahren betrieben wird, muss endlich ein Ende haben. Wien hat rund 160.000 Mindestsicherungsbezieher sowie fast 400.000 Armutsgefährdete. Sie haben kein Verständnis für eine derartig unsoziale Politik." Und wie verhält sich der auf diese Weise attackierte Kulturstadtrat? Andreas Mailath-Pokorny eröffnet lieber im neobarocken Glanz die Wiener Festwochen, verkündet neue Visionen für die Kreativwirtschaft und verleiht im Blitzlichtgewitter der Society-Industrie ehrenvolle Medaillen. Geld spielt bei all dem offenkundig keine Rolle.

Beim Wuk hingegen entscheidet neuerdings die Immobilienkeule über Wohl und Wehe. Das ist völlig unverantwortlich. Die Rechten dürfen sich bereits die Hände reiben, war es doch schon bisher immer mit ausschlaggebend für ihren Erfolg, wenn insbesondere die SPÖ keine klare und kantige Position bezieht. Dabei müsste der Wiener Kulturstadtrat einfach nur beim eigenen Wort genommen werden. "Kultur", schrieb Andreas Mailath-Pokorny noch 2012 in der sozialdemokratischen Diskussionszeitschrift "Zukunft", "muss ihren Sinn und Eigenwert und ihre gesellschaftskritische Rolle jenseits ökonomischer Zweckrationalität auch in Zeiten eines allgemeinen Werterelativismus und akuter Sinndefizite (die in Österreich leider dazu führen, dass erhebliche Teile der jungen Generation den 'rechten Rattenfängern' folgen) bewahren." Was ist dem eigentlich noch hinzuzufügen? Noch hat das sozialdemokratisch geführte Kulturressort jede Möglichkeit, Rückgrat zu beweisen und mit dem kulturpolitischen Flaggschiff Wuk zu unterstreichen, dass die Stadt es nicht kampflos dem rechten Ungeist und den neoliberalen Peitschenschlägen überlässt. Falls doch, wird es wirklich wehtun – und zwar weit über das so gar nicht gefällige Kulturzentrum hinaus. (Martin Wassermair, 1.9.2015)