Sollte Sie nicht gerade irgendwo aufräumen, ist Neos-Spitzenkandidatin Judith Raab ...

Werner Dedl

... mit dem, von ihrem Vater Leopold restaurierten und auf Neos getrimmten, Puch-Motorrad unterwegs.

Werner Dedl

STANDARD: Sie wollten als Ort für unser Interview eine Baustelle in der Nähe haben – nun sitzen wir mitten in der Linzer Innenstadt. Ist es Ihnen im Büro zu ruhig?

Judith Raab: Wir haben so viele Baustellen im Land Oberösterreich, die dringend aufgeräumt gehören. Und genau deswegen sind wir Neos da, um im politischen System einmal so richtig aufzuräumen.

STANDARD: Um den Besen weiterhin schwingen zu können, werden die Neos am 27. September die Vier-Prozent-Hürde in den Landtag packen müssen. Derzeit bescheinigen Umfragen den Neos drei Prozent. Da muss man wohl vor allem auf der pinken Baustelle noch durchaus ordentlich "hackeln", oder?

Raab: Ich weiß nicht, welche Umfragen Sie lesen – wir liegen aktuell bei allen Umfragen bei fast fünf Prozent. Wir werden daher im Herbst die erste Alternative sein, die im Landhaus aufräumt.

STANDARD: Die Flüchtlingsfrage dominiert die Landtagswahl, dabei würden ÖVP, SPÖ und Grüne lieber über anderes reden. Sehen Sie Bundesthemen im Landtagswahlkampf auch als Problem?

Raab: Keine der Parteien braucht sich jetzt beklagen. Man ist unfähig, Probleme zu lösen — und der Asylbereich ist ein klassisches, ein sehr tragisches Beispiel dafür. Die dramatische Situation war vorhersehbar. Wir wissen seit fünf Jahren, dass in Syrien Bürgerkrieg ist und diese Menschen nach Europa strömen werden. Unsere Politik diskutiert über Machtverhältnisse, und die Landeshauptleute lassen die Innenministerin anlaufen. Löst man so Probleme? Erst jetzt zu sagen, wir machen einen europäischen Asylgipfel, ist lächerlich. Guten Morgen, liebe Regierung – vor zwei Jahren wäre das notwendig gewesen.

STANDARD: Warum sollen die Oberösterreicher Neos wählen?

Raab: Die Menschen in Oberösterreich sind wütender, als man glaubt. Die Politik, das System, beschäftigt sich nur noch mit sich selbst. Es geht nur mehr um den Machterhalt, um das Sesselpicken und um die Absicherung der eigenen Position und Pfründe. Das macht die Menschen zornig. Unser Anspruch ist, das politische System zu erneuern. Weil wir die Einzigen sind, die nicht Teil des Systems sind ...

STANDARD: ... noch nicht.

Raab: Daran wird sich bei uns auch nichts ändern. Oberösterreichs Politiker sind doch allesamt nicht visionsbegabt – nicht, weil sie zu dumm sind, sondern weil sie hilflos sind. Solange wir nur Parteifunktionäre haben, die in die politischen Ämter gehoben werden, ändert sich nichts. Es braucht Experten, die sich im echten Leben bewährt haben. Keine Gewerkschafts- und Kammerfunktionäre, die noch nie außerhalb des geschützten Bereichs tätig waren. Diese alten Männer in grauen Anzügen haben die Situation nicht mehr im Griff.

STANDARD: Neos-Bundeschef Matthias Strolz hat bei einem seiner letzten Besuche in Linz verkündet, mit Geld könne man "nicht aushelfen". Hätten Sie nicht mit Barem von der Bundespartei gerechnet?

Raab: Wir haben kein Problem damit. Wir haben 500.000 Euro an Wahlkampfbudget, aus Spenden und Privatdarlehen, und damit machen wir sinnvolle Aktivitäten. Es geht auch mit Engagement und Herzblut – es soll nicht Geld alleine alles entscheiden.

STANDARD: Ich ziehe den Hut vor dem Ehrenamt, aber irgendwann wird der Tag kommen, an dem auch die pinken Gratisarbeiter erkennen werden, dass ein Lohnzettel in der Tasche seine Vorzüge hat, oder?

Raab: Nach dem Einzug sind wir im Landtag vertreten – als Landtagsfraktion mit, sagen wir, drei Abgeordneten. Mit einem Klub und einer Landesorganisation. Da werden dann unsere Mitarbeiter selbstverständlich bezahlt.

STANDARD: Man freut sich also auf die Parteienförderung?

Raab: Eine Parteienförderung braucht jede Partei. Das ist eine Grundvoraussetzung, um Strukturen aufrechtzuerhalten. Es geht nur um das vernünftige, gesunde Maß. In Oberösterreich werden derzeit täglich 75.000 Euro an Parteienförderung ausgeschüttet.

STANDARD: Sie fordern eine Halbierung der Parteienförderung. Werden die Neos im Landtag auf Fördergelder verzichten?

Raab: Man darf weder auf die Hälfte verzichten noch den Betrag spenden. Das Geld ist für parteipolitische Arbeit bestimmt.

STANDARD: Sie sind die einzige Frau im harten Wahlrennen – ist es ein Vorteil, dass Sie Kajakfahrerin sind und raue Gewässer gewöhnt sind?

Raab: Wer jemals Wildwasser gefahren ist, weiß, dass man in einem Wildbach nur besteht, wenn man vorausschaut. Ich schaue mir den Wildbach genau an und mache mir ein großes Bild. Wenn ich dann im Kajak sitze, brauche ich einen Plan. Ich muss wissen, wohin ich will – selbst wenn mir Wasserwellen ins Gesicht schwappen, darf ich das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Ich bin also für die Politik bereit. (Markus Rohrhofer, 2.9.2015)