Modelle aus der aktuellen Kollektion.

Foto: Stefan Kraul
Foto: Stefan Kraul

Aufgeregt und mit roten Backen hat Marina Hoermanseder im Mai die neuen Uniformen der Austrian Airlines in Wien präsentiert. Seitdem kennt man auch in Österreich ihren Namen. Noch vor zwei Jahren schusterte die Wahlberlinerin mit Wiener Wurzeln auf dem Küchenboden inmitten von Lederbündeln und Farbtöpfen ihre Kollektion zusammen. Seitdem ist viel passiert: Ihre Shows auf der Berlin Fashion Week gehören zu den begehrtesten, auf der Pariser Modewoche ist sie zu Gast, und im Horrorthriller "The Neon Demon", der heuer verfilmt wird, tragen Schauspieler wie Elle Fanning und Abbey Lee Kershaw ihre Kreationen. Montagabend eröffnet die 29-Jährige die Vienna Fashion Week.

Marina Hoermanseder (29) hat einen Senkrechtstart in der Mode hingelegt. Vor kurzem halfen ihr nächtens noch Freunde, mittlerweile führt sie ein Unternehmen mit 16 Mitarbeitern.
Foto: Cecilia Leitinger

STANDARD: Bis vor kurzem waren Sie in Österreich eher unbekannt, wie kommt das?

Marina Hoermanseder: Seit ich heuer die neuen Austrian-Airlines-Uniformen designt habe, kennt man mich. Ich komme gern zu meinen Wurzeln zurück, aber es wäre schwierig gewesen, in Wien anzufangen und von hier aus zu arbeiten. Es ist ein typisch österreichisches Phänomen, dass man hier erst wahrgenommen wird, wenn man im Ausland Erfolg hat. Ob mein extravaganter Stil mit Lederstriemen und Schnallen hier sofort gefruchtet hätte, bin ich nicht sicher.

STANDARD: Dabei ist der Masochismus nach dem Österreicher Leopold von Sacher-Masoch benannt. Ihre Modelle werden ja oft als Fetischsachen bezeichnet.

Hoermanseder: Viele meiner Kunden kommen aus der Fetischszene. Das hängt niemand an die große Glocke. Die Szene gibt es auch in Österreich, der Markt ist auf jeden Fall da.

STANDARD: Das rote Lederkleid aus Ihrer Herbst/ Winter-2015-Kollektion ist neben Dior und Prada im New Yorker Fashion Institute of Technology ausgestellt. Insektenpanzerähnliche Modelle sind aber alles andere als straßentauglich.

Hoermanseder: Meine letzte Kollektion besteht zu 70 Prozent aus Prêt-à-porter-Teilen, ich mixe Tragbares und Showroomteile. Wir haben einen Pop-up-Store im Museumsquartier, verkaufen bei Kastner und Öhler in Graz und sind mittlerweile in fünf Ländern im Einzelhandel vertreten. Die Modelle werden immer straßentauglicher, weil ich am Ende des Tages nicht nur im Museum zu sehen sein will, sondern auch schwarze Zahlen schreiben muss. Ich will Mode machen, die tragbar ist.

STANDARD: International machten Sie von Anfang an Furore. Die Rapperin Eve hat auf Instagram Fotos mit Ihren Modellen gepostet, als Sie gerade erst mit der Modeschule fertig waren. Lady Gaga scheint Ihr größter Fan zu sein.

Hoermanseder: Ja, das mit den Celebritys funktioniert gut, aber ich habe es noch nie forciert.

STANDARD: Aber irgendetwas haben Sie richtig gemacht.

Hoermanseder: Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Eve hat 2013 meine Show in London gesehen, damit habe ich schon mit der Diplomkollektion gute Presse bekommen. Fetisch und Leder salonfähig zu machen hat offenbar einen Nerv getroffen, und diesen Esprit haben die richtigen Leute weitergetragen. Social Media und Instagram generieren schnell eine große Reichweite. Die Stylisten der Stars schicken nur noch E-Mails mit Screenshots von Instagram, wenn sie etwas haben wollen. Der Erste, der sich damals bei mir gemeldet hat, war der Stylist von Lady Gaga. Bis ich es realisiert hatte, dachte ich, das sei eine Ente. Es hat sich aber gut ergeben, denn jeder Designer muss Geschichten über sich erzählen.

STANDARD: Welche Geschichten haben Sie zu erzählen?

Hoermanseder: So banal manches klingt, ich habe ganz gute Storys: Mein Zufallspraktikum bei Alexander McQueen, dass ich von meinen Eltern aus zuerst nicht Mode machen durfte, das Wirtschaftsstudium an der WU, die Sache mit den Promis – so ungeplant meine Lebensgeschichte war, so ist sie doch perfekt.

STANDARD: Es gibt eine neue Kampagne mit Lady Gaga mit ziemlich ungewöhnlichen Stücken von Ihnen ...

Hoermanseder: Sie trägt in der neuen Shiseido-Beauty-Kampagne ein Handtuchkleid und einen Turban von uns und der Hund ein Ledergeschirr und ein Handtuchkleidchen. Das ist nicht unbedingt das, wofür wir stehen, aber wenn eine Lady Gaga das möchte, bekommt sie auch schnell einmal eine Home-Collection von uns.

STANDARD: Wie ist der Plan, die Marke weiter zu etablieren? Für 2017 waren ja schwarze Zahlen geplant.

Hoermanseder: Dafür, dass es das Label erst eineinhalb Jahre gibt, sind wir gut unterwegs. Die sehr guten Verkaufszahlen und Kooperationsverträge sprechen für uns. In den letzten Jahren haben wir gute Presse bekommen, jetzt schauen wir, dass wir im Verkauf, der Produktion und im Qualitätsmanagement besser werden. Das Team wird für eine perfekte Produktionsbasis aufgestockt. Wir sind an dem Punkt, wo wir uns keine Fehler mehr erlauben dürfen.

STANDARD: Ihre neue Kollektion ist von Trachten inspiriert. Sind die Lederstriemen plötzlich Blümchen gewichen?

Hoermanseder: Ich bin ein Bauchgefühlsmensch, mich hat mit den österreichisch-ungarischen Trachten einfach die Muse geküsst. Ich arbeite sonst viel mit hartem, starrem Leder. Es hat Spaß gemacht, etwas Romantik reinzubringen.

STANDARD: Bei der Fashion Week in Berlin waren ziemlich viele Taschen zu sehen, und Sie machen jetzt auch Schmuck. Wie wichtig sind Accessoires für den Erfolg?

Hoermanseder: Unglaublich wichtig. Es ist kein Geheimnis, dass die großen namhaften Labels das Geld mit Accessoires und Kosmetika verdienen. Für einen Liebhaber der Marke ist es einfacher, ein Armband zu kaufen, als sich gleich den ganzen Rock leisten zu müssen. Auch die Einzelhändler haben eher Platz dafür.

STANDARD: Sie machen Kooperationen mit einer Wodkamarke und Konzernen wie Nike und den Austrian Airlines. Wie sehr muss man sich da verbiegen?

Hoermanseder: Die Kooperationen sind unglaublich wichtig. Wir können damit verdienen, und die Werbung hat eine enorme Reichweite. Die Austrian Airlines haben mir mit einer Pressemitteilung die Bekanntheit in Österreich gesichert. Alleine hätte ich das nicht geschafft. Allerdings spiele ich nie die Rolle der kleinen, ahnungslosen Dienstleisterin, sondern bin die Kooperationspartnerin.

STANDARD: Sie wirken offen, sind sich nicht für Videos mit einer Bloggerin auf Youtube zu schade. Zählen Sie sich zu einer neuen Generation von Designern, die eher unkompliziert sind?

Hoermanseder: Ich bin als anständiger, denkender, freundlicher Mensch erzogen worden, daran wird mein Beruf nichts ändern. Ich war mir noch nie für etwas zu schade. Einen großen Teil meines Erfolges macht das Menschliche aus, auch in meinem Team sind liebe, anständige Menschen, und so treten wir nach außen auf. Einer der schlimmsten Momente für mich bei einer Show ist, wenn ich auf die Bühne muss. Ich nehme immer mein Team mit hinaus. Auf der einen Seite, weil ich nicht allein sein will, und auf der anderen, weil alle den Applaus verdienen. (Marietta Adenberger, Rondo, 6.9.2015)