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Otto Pérez muss Haft befürchten.

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In der Hauptstadt wurde gefeiert.

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Puebla – Erstmals muss sich in Guatemala ein amtierender Präsident wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht verantworten. Als der Kongress am Dienstagabend einstimmig die Immunität von Otto Pérez aufhob, brach auf den Straßen der Hauptstadt Jubel aus. Der General a. D., der seit Monaten am Pranger steht und noch am Montag einen Rücktritt verweigert hatte, könnte sogar im Gefängnis landen, so wie seine Vizepräsidentin Roxana Baldetti. Vorerst bleibt er allerdings weiter im Amt, darf das Land aber nicht verlassen.

Fünf Tage vor der Präsidentschaftswahl (mehr dazu in der Wahlvorschau von Bert Eder) erreicht die im April begonnene Krise um einen Korruptionsskandal in der Zollbehörde damit ihren vorläufigen Höhepunkt. Sie hat über Monate hinweg zu nie dagewesenen Massendemonstrationen geführt.

Armee ließ Pérez fallen

"Es ist ein historischer Tag für Guatemala", sagte der Abgeordnete Amilcar Pop von der Indigena-Partei Winaq. "Die Bürger haben den Politikern eine wunderbare Lektion erteilt, und das Militär hat das respektiert." Zuletzt hatte sich Pérez nur noch auf die Loyalität der Streitkräfte gestützt, nachdem ihm die Kirche, die US-Botschaft, die Medien und die Unternehmer die kalte Schulter gezeigt hatten. Nun könne die Justiz unbehindert ihren Lauf nehmen und Reformkräfte die nötigen Veränderungen angehen. Guatemalas Geschichte ist geprägt von Militärdiktaturen und Bürgerkrieg. Auch der Friedensvertrag von 1996 erfüllte die Hoffnung auf Fortschritt nicht. Korruption und Gewaltkriminalität unterhöhlten die demokratischen Institutionen.

Zoll und "Gebühren"

Tausende waren vor der entscheidenden Sitzung vor das Kongressgebäude geeilt und hatten zusammen mit der Polizei einen Korridor für die Abgeordneten freigehalten, damit sie trotz der von Pérez-Anhängern organisierten Blockade in den Sitzungssaal gelangten. 26 Abgeordnete der Regierungspartei und der zweitgrößten Partei Lider blieben der Sitzung fern. Die 132 anwesenden Abgeordneten trafen die Entscheidung aufgrund von Beweisen der UN-Kommission gegen Straffreiheit (CICIG), darunter auch Audioaufzeichnungen, in denen die Struktur des Mafianetzwerks aufgedeckt wurde, das vom Büro der inhaftierten Vizepräsidentin Baldetti aus koordiniert wurde.

Pérez wusste offenbar davon und hatte mehrere Schlüsselposten mit Vertrauensleuten besetzt. Importeure nahmen per Telefon mit dem Netzwerk Verbindung auf. Der Warenwert ihrer Importe wurde dann im Zoll gesenkt, die Steuern reduzierten sich drastisch. Im Gegenzug wurden "Gebühren" fällig. Schätzungen zufolge verdiente das Netzwerk wöchentlich 150.000 US-Dollar.

Wahlkampf mit illegalem Geld finanziert

Den Schaden hatte der Staat, der ohnehin zu den ärmsten des Kontinents gehört und entsprechend wenig in Gesundheit, Bildung und Infrastruktur investiert. Es war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Hunderttausende gingen seit der Aufdeckung des Skandals im April auf die Straßen und forderten ein Großreinemachen und politische Reformen. Wie es nun weitergeht, ist unklar. Die in Umfragen führenden Präsidentschaftskandidaten sind entweder diskreditierte Persönlichkeiten wie Manuel Baldizón von der rechtspopulistischen Partei Lider und Ex-Präsidentengattin Sandra Torres oder politische Neulinge wie der Komiker Jimmy Morales.

Auch gegen zahlreiche Kandidaten auf Parlamentssitze und Rathäuser laufen Korruptionsermittlungen. Der Wahlkampf wird der CICIG zufolge zu 50 Prozent mit abgezweigten Korruptionsgeldern finanziert, zu 25 Prozent mit Drogengeldern und zu weiteren 25 Prozent mit Wahlkampfspenden von Unternehmern, die Regierungsaufträge erhalten. "Die ganze demokratische Fassade bröckelt", sagt der Soziologe Bernardo Arévalo. "Die aus diesen Wahlen hervorgehende Regierung hat nur wenig Legitimität, aber jetzt müssen Wege gefunden werden, wie die Forderungen der Bürger nach mehr Transparenz umgesetzt werden in entsprechende Wahlrechts- und Parteienreformen." Dazu seien ein langer Atem und weiter viel Druck der Bürger nötig. (Sandra Weiss, 2.9.2015)