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Hinter jedem Fenster kann sich eine über Airbnb vermietete Wohnung befinden. Für manche Pariser ein gutes Geschäft, für die meisten ein Ärgernis.

Foto: Reuters/Gea

Dominique Feutry ist eine echte Pariserin: Die 60-jährige Dame, die über dem Platz Baudoyer am Rande des Marais-Viertels wohnt, liebt die Stadt und beschwert sich gern über sie. Neuerdings vor allem über respektlose Kunden von Airbnb, der wichtigsten Internetplattform für das Vermieten von Privatwohnungen. "Die meisten Mieter bleiben nur eine oder zwei Nächte, und sie denken nicht daran, ihre Wohnung oder ihr Viertel zu respektieren", klagt die Präsidentin des Quartiervereins "Leben im Marais".

Viele Bewohner haben nun genug von der "Invasion" durch die Internetmieter. Mit ihren Rollkoffern dröhnten diese auch zur Nachtzeit über das historische Kopfsteinpflaster der engen Gassen, lautet eine vielgehörte Kritik; sie feierten zu laut und vergäßen, Gebäudetüren zu schließen oder den Abfall im Eimer zu deponieren.

Enorme Wachstumsraten

Nicolas Ferrary, Frankreichvorstand von Airbnb, berichtet über Zuwachsraten, von denen Hotels nur träumen können: Vor fünf Jahren habe seine Internetseite in Paris 50 Wohnungen angeboten, sagt er – heute seien es 40.000. Das sind mehr als in jeder anderen Weltstadt. Und bereits mehr als die Hälfte der 76.000 Hotelzimmer, die Paris aufweist.

Dabei ist Airbnb nicht der einzige Anbieter seiner Art. Webseiten wie Housetrip oder Wimdu verzeichnen ebenfalls hohes Wachstum. Die Angebote beginnen meist bei 100 Euro pro Nacht und übersteigen in den gesuchtesten Vierteln Marais, Saint-Germain oder Montmartre auch 1000 Euro pro Wohnung.

Für die Stadt der Liebe hat das umwälzende Folgen. Vereine wie "Vivre le Marais" stellen fest, dass in einigen Gebäuden bis zu zehn Wohnungen per Internet vermietet werden. Das führt dazu, dass sich Nachbarn nicht mehr kennen, vertreibt Handwerker oder Metzgereien aus Trendvierteln. Alteingesessene Pariser schimpfen, mit Airbnb werde sich die Stadt in ein Disneyland à la Venedig verwandeln.

Gemäß Ian Brossat, dem Wohnzuständigen der Stadtbehörde, verstärkt das lukrative Couchsurfing die Wohnungsnot. Deshalb will die Stadtregierung gegensteuern. Seit Jahresbeginn müssen in Paris private Kurzvermietungen deklariert werden. Im Mai lancierte Brossat eine Inspektion von 80 Wohngebäuden im Marais. Einzelne Eigentümer erhielten eine Buße, da sie mehrere Wohnungen auf Airbnb oder anderswo ausgeschrieben hatten. Das kommt häufig vor, da das Kurzvermieten von Pariser Immobilien ein hochrentables Investment darstellt.

Juristisch unscharfe Grenze

Für weitergehende Kontrollen hat die Stadt weder die Mittel noch die Rechtsgrundlage. Die Grenze zwischen der Beherbergung von Freunden und bewilligungspflichtiger Dauervermietung bleibt juristisch unscharf. Nachbarn zögern inzwischen nicht mehr, illegale Vermietungen bei den Behörden zu melden. Unter Druck geraten, zeigen sich die einschlägigen Webseiten kooperativ: Airbnb hat sich vor kurzem bereiterklärt, künftig die Kurtaxe von 83 Cents zu erheben und selbst einzutreiben. (Stefan Brändle aus Paris, 3.9.2015)