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Ein handtellergroßer Baby-Rochen an der Scheibe seines 'Kindergarten-Aquariums' im AquaDom & Sea Life Berlin. Die Tierwelt war in Sachen Ungleichheit in Alpbach allerdings kein Thema.

Foto: AP/Kalaene

Alpbach – In Alpbach hat der Wetterumschwung den Diskussionen über Ungleichheit und Rezepte für mehr Chancengerechtigkeit sichtlich gutgetan. Der Regen lädt nicht gerade zu Alternativprogrammen in den Bergen oder Gastgärten ein, beflügelt dafür die geistige Auseinandersetzung im Plenarsaal oder Arbeitskreis. Das Europäische Forum schreckt heuer nicht davor zurück, die vielen Dimensionen der Ungleichheit ausloten zu lassen.

Nicht nur die vielzitierte Einkommens- und Vermögenskonzentration wird munter debattiert, sondern auch Verteilungsfragen zwischen Jung und Alt, zwischen einzelnen Ländern und Kontinenten, die Zusammenhänge zwischen Klimawandel, Migration oder Bildung und Ungleichheit oder die Rolle der digitalen Fortschritte. Relativ kurz kommt in den ökonomisch dominierten Debatten die Bedeutung der Bildung für die Chancen junger Menschen und somit auch für das Einkommenspotenzial.

Eine Frage der Persistenz

Reichlich bekannt ist zwar, dass vor allem Akademikerkinder die Universitäten besuchen, doch in letzter Zeit gibt es auch viele Erkenntnisse über dieses Faktum hinaus. Alyssa Schneebaum, Ökonomin an der Wirtschaftsuniversität Wien, forscht mit Kollegen über intergenerationale Mobilität. Vereinfacht gesagt wird dabei untersucht, ob die Kinder in den Strickmustern ihrer Eltern verharren. Eine Studie kam zu dem Ergebnis, dass dies in Süd- und Osteuropa stark der Fall ist, im Norden fällt diese sogenannte Persistenz viel geringer aus. Kinder haben also viel größere Chancen, dem Milieu des Elternhauses zu entwachsen.

Nicht ganz zufällig sind es auch die nordischen Länder, in denen die Unterschiede bei den Einkommen am geringsten sind. Die WU-Ökonomen sind auch auf interessante Details gestoßen. Je länger der Kindergarten andauert, je früher die Schulpflicht beginnt und je länger die Sprösslinge eine gemeinsame Schule besuchen, desto größer fällt die intergenerationale Mobilität aus. Markus Jännti, der an der Universität Stockholm forscht, zeigt die politischen Möglichkeiten am Beispiel Finnland auf: Nach dem Umstieg auf eine gemeinsame Schule in den 1970er-Jahren, seit dem die Trennung des Bildungswegs im Alter von 15 statt davor mit zehn Jahren erfolgt, hat sich die Chancengerechtigkeit deutlich erhöht. Für Schneebaum liegen die politischen Implikationen auf der Hand.

John Roemer, Ökonom und Politologe an der Yale Universität, befasst sich wiederum mit dem Klimawandel und der Ungleichheit. Er stellt sich die Frage: Wie können die Entwicklungs- und Schwellenländer weiterhin beim Wohlstand aufholen, ohne dass die Emissionen steigen. Es müsste, so seine These, zu einem Ausgleich zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden kommen, bei dem alle auf Wachstum verzichten, der Lebensstandard dennoch steigt. Wieder sind Bildung und Wissen der Schlüssel. In seinem Modell würde China die USA im Jahr 2085 einholen, wenn Amerika sein Wachstum auf ein Prozent einpendelt.

Mehr Wohlstand

Dass die USA dann an Wohlstand verlieren, glaubt er nicht. Denn auch in den vergangenen 30 Jahren hätten fast nur Reiche profitiert. Roemer meint, dass die Durchschnittsamerikaner mit weniger, aber nachthaltigem Wachstum sogar zu mehr Wohlstand gelangen würden. Das sei der eigentliche Grund, warum sich die Republikaner gegen die von Barack Obama angekündigten Maßnahmen für Klimaschutz zur Wehr setzten. (Andreas Schnauder, 2.9.2015)