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Begegnung zweier Männervereine: Bayern München besucht den Papst.

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Papst Franziskus ermächtigt katholische Priester weltweit, im "Heiligen Jahr" die "schwere Sünde der Abtreibung" zu vergeben. Das klingt irgendwie gut. Die Frage ist freilich: Ist es auch gut?

Bei genauerer Betrachtung ist man etwas ratlos: Was genau meint der Papst, was bezweckt er damit? Dass die katholische Kirche Abtreibung als schwere Sünde betrachtet, ist vielen Frauen hierzulande – ob Katholikinnen oder nicht – natürlich geläufig. Dass dies zur automatischen Exkommunikation führt, wovon der Priester des Vertrauens nur nach vorheriger Rücksprache mit dem Vatikan absehen kann, war bisher wohl den wenigsten bekannt. Jetzt wissen es alle. Vielen Dank auch!

Wenn die Charmeoffensive des Papstes gegenüber den Frauen nun sein soll, dass im "Heiligen Jahr" (also nur von 8. Dezember 2015 bis 26. November 2016) der Priester und Beichtvater ohne Rückfrage vergeben kann, ist das ein bisschen wenig. Zumindest für europäische Verhältnisse.

Nicht glücklich

Recherchen in katholischen Kreisen zeigen auch, dass man mit der päpstlichen Initiative nicht eben glücklich ist: Man pflege die Praxis der Vergebung stillschweigend schon seit Jahren, ist zu hören. Es traumatisiere Frauen mit religiösen Gewissensbissen erneut, wenn man sie daran erinnere, dass der Sanktus gar nicht "von ganz oben" (nach katholischer Lesart vom Papst, ergo von Gott) gekommen sei.

Anzunehmen ist freilich, dass dieser Papst mit seinem aktuellen Brief gar nicht die europäische Kirche im Auge hatte. Vielmehr scheint sein Aufruf, doch mehr Mitgefühl zu zeigen und Vergebung zu spenden, an die erzkonservativen Glaubensbrüder in seiner Heimat Südamerika gerichtet zu sein. 2009 wurde in Brasilien der Fall einer Neunjährigen, die vom Stiefvater missbraucht und geschwängert worden war, zur Staatsaffäre: Das Mädchen, seine Mutter und die Ärzte, die die Abtreibung aus medizinischen Gründen durchgeführt hatten, wurden exkommuniziert – obwohl das Leben des Mädchens andernfalls gefährdet gewesen sei. Der Vatikan bestätigte das Verdikt mit der Begründung, ungeborenes Leben sei absolut zu schützen. Gegen den mittlerweile inhaftierten Stiefvater des Mädchens, den Täter, unternahm die Kirche nichts.

Reaktionäre Auslegung

Dies ist kein Einzelfall: Immer wieder richtet sich auch die weltliche Gerichtsbarkeit in südamerikanischen Staaten nach der reaktionären Glaubensauslegung des Klerus. Frauen, die abtreiben, riskieren Haftstrafen.

Das Signal, das Franziskus nun sendet, ist ein sehr vorsichtiges: Seht her, was ich tun würde, wenn ich könnte – das strenge Kirchenrecht diesbezüglich anzupassen, so weit geht er freilich nicht. Das US-Webzine "The Daily Beast" zitiert den Vatikan-Experten John Allen, der meint, Franziskus’ Abtreibungsnota würde wohl so lange hin und her gedreht werden, bis sie sowohl Abtreibungsbefürwortern wie -gegnern sympathisch erscheine. Letztere fänden es vielleicht ganz gut, schreibt Allen, dass alle Welt noch einmal daran erinnert werde, dass auf Abtreibung die Exkommunikation stehe.

Zwischen Links und Rechts

Überhaupt ist Franziskus offenbar sehr bemüht, zwischen Links und Rechts, liberal und erzkonservativ zu vermitteln und alle in den Schoß der katholischen Kirche zurückzuführen. Dazu passt auch, dass er im "Heiligen Jahr" Priestern der Piusbruderschaft erlaubt, Beichten abzunehmen. Das alles mag nach katholischer Logik, die in Jahrtausenden rechnet, weise und fortschrittlich sein.

Mit dem Leben von Frauen in Europa, die auch in der Kirche selbstbewusst die gleichen Rechte fordern, wie sie die Männer genießen, hat das alles herzlich wenig zu tun. Für sie hat Franziskus wenig im Angebot. Die katholische Kirche bleibt ein Männerverein, der nicht mit gleichen Maßstäben misst. Freilich richten sich hierzulande ohnehin die wenigsten Frauen nach den Auslegungen der Kirche – die Frauenbewegungen haben zu Recht bewirkt, dass die Begriffe "Abtreibung" und "Sünde" längst nicht mehr zusammengehören. (Petra Stuiber, 3.9.2015)