Werner Faymann wird heuer nicht zu einem außerordentlichen Parteitag laden.

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Wien – Für Gerhard Schmid ist die Sache klar: Einen Sonderparteitag brauche es nicht, erklärte der rote Bundesgeschäftsführer am Donnerstag im Gespräch mit dem STANDARD. Genau diese Forderung hatte zuvor der steirische Verkehrs- und Umweltlandesrat Jörg Leichtfried erhoben. Er möchte dort die inhaltliche Neuausrichtung der Partei besprechen.

Eine neuerliche Debatte über den Kurs, die letztlich immer auch eine über die SPÖ-Spitze wäre, können die Roten wenige Wochen vor den Landtagswahlen in Oberösterreich und Wien aber nicht gebrauchen.

"Schon alles Mögliche von Leichtfried gehört"

Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann zeigte sich daher beim Besuch eines im Bau befindlichen Altersheimes in Wels etwas genervt: "Wir haben ausgemacht, dass wir das Programm bei unserem nächsten Parteitag 2016 beschließen, das reicht uns."

Zum Vorwurf der Visionslosigkeit sagte er: "Von Jörg Leichtfried habe ich schon alles Mögliche gehört." Der wahlkämpfende SP-Landeschef Reinhold Entholzer erklärte dem STANDARD: "Es gibt derzeit wichtigere Dinge zu tun, als sich mit uns selber zu beschäftigen."

Kein Widerspruch

Schmid bemüht sich um Kalmierung: "Ich habe persönlich mit ihm telefoniert. Er sieht das als Missverständnis, er hat das so nicht gemeint." Der Bundesgeschäftsführer interpretiert den früheren EU-Abgeordneten so: "Es war ein Appell zur vertieften programmatischen Auseinandersetzung. Damit ist das für mich erledigt, wir sind in vollkommener Harmonie."

Leichtfried selbst sieht freilich kein Missverständnis. Er lässt über sein Büro ausrichten, dass er "natürlich" nach wie vor zu seinen Befunden und Einschätzungen über die kritische Situation der Sozialdemokratie stehe. Es seien generelle Überlegungen über die Zukunft der Sozialdemokratie, aber keine spezielle Kritik an der SPÖ. Die Bewegung müsse europaweit neue Zugänge zu den Fragen der Zeit finden. Er habe im STANDARD-Interview "alles gesagt", wolle sich nun nicht weiter dazu äußern.

"Programmprozess voll im Gange"

Schmid betont, der Parteiprogrammprozess sei ohnehin "voll im Gange". Er zeigt sich überzeugt, dass Leichtfried in der Vorbereitung eine "starke Rolle" spielen werde. "Als steirischer Landesrat und als langjähriger EU-Abgeordneter kann er sich vor allem bei Wirtschafts- und Europafragen einbringen."

Er glaubt auch nicht, dass andere in der Partei einen Sonderparteitag – er könnte übrigens von fünf Landesorganisationen einberufen werden – wollen. "Nein, überhaupt nicht. Ich bin ständig mit allen Teilorganisationen in Kontakt." Es gebe weder in der Gewerkschaft noch in der Jugend oder einer anderen Organisationen den Wunsch nach einem Sonderparteitag, "da wir ja in einem Jahr – nachdem alle intensiv am neuen Parteiprogramm gearbeitet haben – sowieso einen Parteitag dazu abhalten werden".

Jugend widerspricht

Die Parteijugend widerspricht Schmid freilich ebenfalls: "Wir unterstützen die Forderung nach einem Sonderparteitag. Das wäre ein Weckruf, den die SPÖ dringend braucht", sagte die Chefin der Sozialistischen Jugend, Julia Herr, zum STANDARD. "Das Asylthema zeigt gerade aktuell, dass die SPÖ keine konkreten Antworten auf die drängendsten Probleme hat. Die Schlepper zu bekämpfen ist keine ausreichende Lösung."

Für Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser war der "Aufschrei von Jörg Leichtfried wichtig. Jeder Beitrag zu einer inhaltlichen Debatte in der SPÖ ist wichtig". Die Abhaltung eines Sonderparteitags halte er aber für nicht mehr notwendig, zumal das nächste Parteitreffen 2016 ohnehin als Programmparteitag angedacht sei. Kaiser: "Aber wenn Jörg Leichtfried meint, man solle ihn früher abhalten, bin ich jederzeit dabei". Inhaltlich teile er durchaus die Bedenken und Befunde Leichtfrieds über die kritische Situation der Sozialdemokratie.

Ins Positive umdrehen

Dessen Anmerkung, die Sozialdemokratie werde negativ als "Bewahrern der alten Zeit" wahrgenommen, wolle er "positiv umdrehen". Kaiser: "Ist es nicht gerade das Verteidigen alter Werte wie Freiheit, Solidarität und Toleranz, etwas, was die Sozialdemokratie neu erkämpfen muss. Ich sehe das als etwas durchaus Fortschrittliches. Wir sind ja als sozialdemokratische Politiker angetreten, um im Sinne unserer Grundwerte zu handeln. Dabei müssen wir jetzt sicher aufpassen, dass die Gesellschaft nicht unsere Grundwerte verändert."

In Europa herrsche eine neoliberale Grundtendenz vor und da bestehe für die Sozialdemokratie durchaus die Chance, einen "Werte-Gegenentwurf" anzubieten.

Eine der größten Schwächen der Sozialdemokratie ortet Kaiser in der mangelnden Internationalität. "Gerade eine internationale Vernetzung der Sozialdemokratie wäre im Lichte der gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungen gefragter denn je", sagt der Kärntner SPÖ-Landeshauptmann.

Die nächste Möglichkeit zur Aussprache wird es bereits am Samstag geben. Dann findet in Wien ein Parteirat statt. In diesem Gremium wird jedes zweite Jahr, wenn kein Parteitag stattfindet, über inhaltliche Schwerpunkte diskutiert. Dieses Mal wird man eine Resolution zur Bildungsreform verabschieden.

Bekenntnis zur Gesamtschule

"Es wird eine Verfestigung unserer sozialdemokratischen Positionen", sagt Schmid. Details zur Schulverwaltung, die gerade zwischen Bund und Ländern verhandelt werden, seien aber nicht Teil des Papiers: "Es geht stark ins Grundsatzpolitische." Natürlich werde es aber ein Bekenntnis zur Gesamtschule geben. Ein zweiter großer Block drehe sich um die berufliche Bildung, Nachqualifikation und Angebote für Erwachsene.

Bei der frühkindlichen Förderung werde "die Forderung nach einem zweiten verbindlichen Kindergartenjahr verstärkt werden", kündigt Schmid an. Das ist insofern interessant, als Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) erst vor wenigen Tagen das zweite verpflichtende Kindergartenjahr aus finanziellen Gründen abgesagt hat.

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) zeigte sich darüber zwar nicht erfreut, nahm die Entscheidung, die nicht zuletzt der finanziellen Situation der Länder geschuldet ist, aber zur Kenntnis. Was beim Parteirat ebenfalls auf Schiene gebracht wird: Sascha Ernszt, der Vorsitzende der Gewerkschaftsjugend, wird zum Lehrlingssprecher der SPÖ ernannt. "Er soll ein weiteres Sprachrohr der SPÖ in Richtung junger Menschen sein", sagt Schmid. (go, mue, mro, 3.9.2015)