Am 5. September startet um 20.30 Uhr im MuseumsQuartier die neue Reihe Die Projektemacher*innen: Szenen des Entwerfens. Das erste Projekt, das live vor Publikum entworfen wird, die Akademie des Verlernens rückt postkoloniale Fragestellungen in den Fokus. Wie kann eine neue Bildung aussehen, die nicht auf reiner Informations-akkumulation beruht? Was bedeutet Bildung, wenn sie nicht auf dem Fundament hegemonialer Machtgefüge aufgebaut ist? Tomas Zierhofer-Kin entwirft mit den DramaturgInnen Nadine Jessen und Johannes Maile eine neue Reihe für die zukünftigen Wiener Festwochen, deren designierter Leiter er seit kurzem ist. Im Kurzinterview sprechen Nadine Jessen und Johannes Maile über den Versuch, das Projektemachen öffentlich zu machen und die Prozesshaftigkeit der Akademie des Verlernens.
Die Reihe Die Projektemacher*innen: Szenen des Entwerfens wird mit dem Projekt Akademie des Verlernens starten. Im Unterschied zu einem Vortrag, der meistens über eine vordefinierte Struktur verfügt, wird bei den Projektemacher*innen ein Projekt im Anfangsstadium diskutiert bzw. daran gearbeitet. Gehen Sie davon aus, dass die Diskussion in der Öffentlichkeit Einfluss nimmt auf das Projekt?
Nadine Jessen: Wenn man einen solchen Prozess des Suchens und lauten Denkens nicht wie üblich nur in einer kleinen Runde, sondern in der Öffentlichkeit durchläuft, wird es sicher auch das Konzipieren mit beeinflussen. Das hängt natürlich von der Qualität des Dialoges mit dem Publikum ab. Wir machen das ja nicht öffentlich, weil wir selbst keine Ideen haben.
Wird es ein öffentliches Brainstorming geben? Was ist die übliche Ausgangssituation für ein erstes großes Projekttreffen?
Nadine Jessen: Ich neige zu assoziativem Denken. Das kann dann schnell als Brainstorm verstanden werden. Aber ein paar Gedanken haben wir uns ja auch schon im Vorfeld gemacht. Es ist ja nicht so, dass wir bisher keine Gedanken an die Akademie verschwendet hätten. Normalerweise konzipiere ich gern allein oder mit einem Team von Leuten, mit denen man eher die gleiche Sprache spricht bzw. mit den Worten dasselbe meint. Das ist ja nicht mit allen so.
Johannes Maile: Für mich geht es da auch um eine Aufladung mit unterschiedlichstem Material, die im Vorfeld stattfindet, die gar nicht unbedingt zielgerichtet ist und gerne auch ausufernd sein kann. Und dann kommt es für mich im ersten gemeinsamen Denken und auch dann in weiterer Folge auf das Filtern, Kombinieren und Destillieren einer Idee, einer gedanklichen Spur, eines Rahmens oder Settings an.
Bei der Akademie des Verlernens geht es darum, eine neue Form der Bildung im Sinne postkolonialer Kritik zu diskutieren, die nicht auf bloßer Informationsakkumulation beruht. Wo sind die Grenzen der Machbarkeit für so ein Projekt in einem durchaus klassischen kulturellen Gefüge, das sich im Rahmen hegemonialer Strukturen bewegt?
Nadine Jessen: Die Akademie des Verlernens ist ein Kunst-Projekt. Wie es auf den kulturellen Kanon einwirkt, werden wir sehen. Erstmal sind da keine Grenzen in meinem Kopf wie groß oder klein es wird. Wir haben ja auch fünf Jahre Zeit dafür. Im Grunde ist es auch kein Projekt, sondern ein Prozess. Ich hoffe, wir fliegen jetzt nicht aus der Veranstaltung.....!
Noch eine Frage zum Projektemachen an sich: Sehen Sie das Projektemachen, gerade im künstlerischen und wissenschaftlichen Bereich, als begünstigend für ein sich ausweitendes Prekariat oder als Erweiterung der individuellen Freiheit?
Nadine Jessen: Sicher ist die temporäre Arbeit an Projekten und das Hangeln von Projekt zu Projekt kein Ausweg aus prekären Arbeitsverhältnissen – deshalb bin ich ja auch eher prozessorientiert. Aber ich kenne viele Künstler, die sich mit der angeblichen Freiheit sehr gut arrangiert haben und sehr gut davon und damit leben können.