Als Chief Product Officer ist Neil Hunt mit seinem Team für Design, Funktion und Betrieb der Streaming-Plattform verantwortlich.

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Auch ein Jahr nach dem Start von Netflix in Österreich zeigt sich Nutzern mitunter ein etwas ernüchterndes Bild. Viele Inhalte, die in den USA oder Deutschland zur Verfügung stehen, gibt es hierzulande nicht. Schuld sind unterschiedliche Lizenzabkommen. Am Horizont taucht jedoch ein Lichtblick auf. Am Rande der IFA sagte Chief Product Officer Neil Hunt im Gespräch mit Journalisten, dass man zunehmend von auf bestimmte Regionen eingeschränkten Inhalte Abstand nehmen werde. Stattdessen will er ein globales Angebot schaffen. Der Weg dahin dürfte aber noch länger sein.

"Deals über zehn Jahre wird man so schnell nicht los"

Netflix schließe zunehmend mehr Lizenzabkommen, die es erlauben, dass Filme und Serien in allen Ländern zur Verfügung stehen. Vor allem neue Inhalte und die Eigenproduktionen von Netflix werden Nutzern in allen Ländern angeboten werden. Allerdings hat das Unternehmen noch viele Lizenzvereinbarungen über sieben oder zehn Jahre, die man "nicht so schnell loswird". Die am meisten gesehenen Inhalte sollen "recht bald" überall verfügbar sein. Mit "bald" meint Hunt allerdings "Jahre und nicht Jahrzehnte".

Augen zudrücken bei Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen

VPNs und Tools zum Umgehen von Länderschranken werden Netflix-Nutzer also wohl noch länger Dienste erweisen. Damit verstößt man eigentlich gegen die Nutzungsbedingungen des Streaming-Diensts. Netflix hat laut Hunt aber weiterhin keine Pläne, stärker dagegen vorzugehen. Es gibt zwar eine Blacklist, die bestimmte VPN-Anbieter aussperrt. So strikt wie Konkurrent Hulu, der durch das Blockieren von VPN-Nutzern auch einige zahlende Kunden hinausgeschmissen haben soll, werde man die Regeln aber nicht umsetzen. Vielmehr müsse man versuchen, die Inhalte breiter verfügbar zu machen. Das sei auch die einzig sinnvolle Strategie gegen Piraterie, meint Hunt.

Wer seinen Account mit anderen Nutzern teilt, verstößt ebenfalls gegen die Bedingungen des Diensts. Innerhalb eines Haushalts ist das erlaubt. Darüberhinaus sieht man das Teilen des Zugangs bei Netflix weniger gerne. Allerdings, so Hunt, hat man auch hier keine Ambitionen, Nutzer zu verbannen, wenn sie ihren Zugang nur mit ein paar Freunden teilen. "Wir sehen sie als zukünftige Netflix-Kunden."

Nach der Pixelmanie kommt HDR

Zum Trend immer weiter steigender Display-Auflösungen meint Hunt, dass mit 4K mittlerweile ein Punkt erreicht wurde, an dem noch mehr Pixel keine weitere Verbesserung bringen. Nun gehe es um die "Qualität der Pixel". Hier kommt das Stichwort HDR – High Dynamic Range – ins Spiel. Damit werden sattere Kontraste und ein originalgetreueres Bild erreicht.

Auf der IFA wurden wie zuvor im Jänner auf der CES in Las Vegas einige High-End-Fernseher mit HDR-Unterstützung gezeigt. Amazon bietet die Serie "Mozart in the Jungle" in HDR an, bei Netflix wurde etwa "Marco Polo" in HDR gedreht. Noch ist die Verfügbarkeit von kompatiblen Geräten aber sehr überschaubar. Ein Problem ist derzeit etwa, dass HDR am Fernseher mit zwei Standards umgesetzt werden kann – Dolby Vision und UHD. Bevor man mehr entsprechende Inhalte streamt, will Netflix noch abwarten, welcher Standard sich durchsetzt. Neue Serien und Inhalte würden aber vorausschauend in HDR und 4K gedreht.

Keine Downloads, keine eigene Hardware

Eine Absage erteilt der Produktmanager der Möglichkeit, Netflix in Zukunft auch offline zu nutzen. Die Funktion sei zwar nachgefragt, er glaubt aber nicht, dass sie tatsächlich genutzt werden würde. Viele andere Streaming-Dienste bieten Offline-Viewing an. Für Hunt wäre es interessanter, wie man Netflix beispielsweise im Flugzeug verfügbar machen könnte. Den Dienst "mit einer simplen Box auf einem Flugzeug" für etwa 300 Streams anzubieten sei durchaus machbar, wie Hunt es ausdrückt. Diese Hardware gebe es bereits. Hier gehe es allerdings auch um wirtschaftliche Argumente und Lizenzzahlungen.

Pläne für eigene Hardware hat das Unternehmen nicht. Zwar unterhält Netflix einige Kooperationen mit Herstellern, eigene Netflix-Fernseher oder -Settopboxen wird es aber nicht geben. Hier sei die Gefahr zu groß, dass man es sich mit anderen Hardware-Herstellern verscherze. Es ist laut Hunt viel wichtiger, dass Netflix auf möglichst vielen verschiedenen Geräten funktioniert – seinen Angaben zufolge sind das derzeit rund 4.000. Nicht auf Apple TV zu sein könne man sich etwa nicht leisten. (Birgit Riegler aus Berlin, 4.9.2015)