Smartwatches sollen nicht weniger als das Rad neu erfinden. Sie sollen etwas ersetzen, das seit Jahrhunderten einen fixen Platz im Alltag vieler Menschen hat, sowohl von praktischem Nutzen ist als auch ein modisches Accessoires und mitunter eine Wertanlage – die Armbanduhr. Dass das kein einfaches Unterfangen ist, haben die ersten Gehversuche der Hersteller in dem Bereich gezeigt. Angesichts der klobigen, viereckigen Trümmer hat sich bei den Konsumenten noch wenig Kauflust eingestellt. Doch die Hersteller haben dazugelernt. Die neuen Smartwartches sehen weniger nach dem aus, was sie sind – eine Auslagerung von Smartphone-Funktionen –, und mehr nach dem, was sie sein wollen: ein Ersatz für klassische Armbanduhren. Dem Prinzip folgt auch Samsungs neue Galaxy Gear S2, das erste runde Modell des Herstellers. Der WebStandard konnte sie auf der IFA in Berlin bereits in Augenschein nehmen.

Das Display der Gear S2 ist mit 302 ppi ziemlich hochauflösend.
Foto: Standard/Riegler
Wie bei allen Modellen kann das Aussehen des Ziffernblatts durch verschiedene Watchfaces angepasst werden.
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Rund und zum Drehen

Die neue Gear ist mit 11,4 mm relativ kompakt und auch für zarte Handgelenke geeignet. Wie Samsung bei der Präsentation betonte, habe man ein genderneutrales Modell entwickeln wollen. Wo mit sehr wuchtigen Uhren bisher eher Männer angesprochen waren, will man nun verstärkt auch Frauen gefallen.

Mit 11,4 mm und einem runden Gehäuse ist die Uhr nicht mehr so wuchtig wie frühere Modelle von Samsung.
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Auf der Rückseite ist ein Pulsmesser integriert. Einen Anschluss für das Ladegerät gibt es nicht, aufgeladen wird kabellos.
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Das Gehäuse ist aus Edelstahl gefertigt und wasserdicht. Einen Anschluss zum Aufladen gibt es nicht, die Gear S2 wird kabellos mit Strom versorgt. Um den Geschmack möglichst vieler Leute zu treffen, gibt es die Uhr mit einer Auswahl verschiedener auswechselbarer Silikonarmbänder. Zudem bietet Samsung ein Classic-Modell für Lederarmbänder.

Die Bedienung erfolgt über drei Elemente: den Touchscreen, zwei Tasten an der Seite und einen drehbaren Außenring, Lünette genannt. Der Touchscreen misst 1,2 Zoll und bietet eine Auflösung von 320 x 320 Pixel. Mit 302 ppi ist der Bildschirm ziemlich scharf, auch Details auf Fotos sind noch gut erkennbar. Bei den Tasten handelt es sich um einen Homebutton und eine Zurücktaste. Das Schlüsselelement ist aber die Lünette. Sie dient dazu, durch das Menü des Betriebssystems Tizen zu steuern. Das klingt zunächst wie eine unnötige Spielerei, funktioniert aber tatsächlich besser und intuitiver als über den Touchscreen.

Das App-Menü ist – passend für eine runde Smartwatch – im Kreis angeordnet.
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Jedes Menü lässt sich über den Touchscreen oder den drehbaren Außenring bedienen.
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Die Apps sind wie auf einem Ziffernblatt im Kreis angeordnet. Durch Drehen am Ring scrollt man durch dieses Menü. Auch in den Apps selbst und in allen weiteren Menüs kann mit der Lünette gescrollt werden – beispielsweise durch einen Text, der länger ist, als ihn der Bildschirm darstellen kann. Das hat zwei Vorteile: Zum einen ist es präziser, als mit dem Finger auf dem kleinen Touchscreen zu versuchen, das richtige Element zu treffen. Zum anderen verhindert es unschöne Fingerabdrücke.

Apps und Gimmicks

Ein bisschen Bauchweh bereitet die Wahl des Betriebssystems. Samsung setzt für seine Wearables seit einiger Zeit bekanntlich nicht mehr auf Android, sondern sein eigenes System Tizen. Im Smartphone-Bereich hat sich gezeigt, wie schwierig es für ein drittes System ist, neben Android und iOS Fuß zu fassen. Ob das bei Smartwatches neben Android Wear und der Apple Watch anders ist, bleibt abzuwarten. Wie viele Apps für Tizen-Smartwatches verfügbar sind, ist nicht bekannt. Auf der Gear S2 sind eine Reihe von Anwendungen unter anderem von Nike, Twitter, Volkswagen und dem Line-Messenger vorinstalliert.

Mit verschiedenen Designs will man möglichst viele Geschmäcker treffen.
Foto: Standard/Riegler
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Weitere Funktionen wie Telefonie – dank integrierter E-SIM kann die Uhr auch komplett ohne Smartphone verwendet werden – und die Möglichkeit, Auto und Smart Home zu steuern, konnten noch nicht ausprobiert werden. Die Uhr bietet jedenfalls – wie die meisten anderen Modelle – eine Fülle an Features, die im Alltag Gefahr laufen brachzuliegen. Denn fragt man Smartwatch-Träger, wofür sie die Geräte wirklich nutzen, kommen oft die Antworten: bei Anrufen nachsehen, wer es ist, ob man wirklich rangehen soll – und schauen, wie spät es ist.

Ob man sich dafür extra eine Smartwatch anschaffen will, ist letztendlich auch eine Preisfrage. Und die hat Samsung noch nicht beantwortet. Die Galaxy Gear S2 kommt im Oktober in den Handel. (Birgit Riegler aus Berlin, 4.9.2015)