Die Innsbrucker Architektin und Designerin Nina Mair arbeitet und wohnt in und über einer alten Seifenfabrik, wo in den Wänden Geschichte steckt. Warum sie keine Türen braucht, verriet sie Katharina Mittelstaedt.
"Innsbruck ist für mich ein wunderbarer Ort, um nach Hause zu kommen. Ich bin beruflich viel unterwegs, vor allem in Großstädten, den klassischen Design-Hotspots. Ich fühle mich geerdet, wenn ich nach einer Reise in diese feine Kleinstadt zurückkehre, meine Sportschuhe anziehe und eine Runde durch den Wald laufe. Die Nähe zur Natur, das Bergpanorama, auf das ich auch von meinem Balkon aus schaue, das holt mich sprichwörtlich auf den Boden und inspiriert mich in meiner Arbeit.
Ich bin in meinem Leben bereits 13-mal umgezogen, aber mit Unterbrechungen wohne ich nun schon einige Zeit in Innsbruck. Was all meine Wohnungen verbindet: Sie befanden sich in Altbauten. Ich mag es, wenn Geschichte in den Wänden steckt.
Meine derzeitige Mietwohnung hat 65 Quadratmeter. Sie befindet sich in einem mittelalterlichen Gebäude in St. Nikolaus, einem der ältesten Stadtteile Innsbrucks. Das Gebäude ist seit mehreren Generationen im Besitz einer Seifenmacherfamilie. Die wichtigsten Bereiche der Wohnung sind für mich der Wohnraum und der angrenzende Balkon. Ich freue mich jedes Jahr auf die warme Jahreszeit, dann wird der Außenraum zum frequentiertesten Bereich. Eine selbstgebaute Lounge macht den Balkon zum zweiten Wohn- und manchmal Schlafraum.
In meinem Wohnzimmer findet man einen Mix aus Erbstücken, einigen meiner eigenen Kreationen und Klassikern, die man als Designer einfach haben will. Zum Beispiel die vier originalen Eames Chairs von Herman Miller, die ich mal in Florenz aus einem Secondhandladen mitgenommen habe. Was jedes Stück auszeichnet, ist, dass ich eine emotionale Geschichte damit verbinde. Die Stühle habe ich im Urlaub entdeckt, darum gefeilscht, sogar das Auto umgebaut, damit alle vier reinpassen – solche Erlebnisse verbinden einen mit Objekten.
Das Erste, was ich tat, als ich hier eingezogen bin, war, alle Türen auszuhängen. Abgesehen von der Toilette sind alle Räume offen, auch das Bad. Sozusagen ein Raumkontinuum. Mein Mann und ich wohnen hier zu zweit, es ist nicht notwendig, einzelne Räume abzuschließen. Auch die Vorhänge sind immer geöffnet. Die haben wir hauptsächlich aus akustischen Gründen und für die wohnliche Atmosphäre. Ich habe sie selbst entworfen. Sie werden aus einem speziellen Merinowollstoff hergestellt. Rafft man den Vorhang und hängt ihn in einem gewissen Abstand zur Wand, wirkt er wie ein Schallabsorber.
Das gesamte Gebäude ist für mich etwas ganz Besonderes. Wohnen und Arbeiten gehen eine Symbiose ein. Die Wohnung befindet sich im dritten Stock, im Erdgeschoß arbeite ich. Bis vor ein paar Jahren befand sich im Stöckelgebäude des Innenhofes eine Seifenfabrik, die dann zu Ateliers umfunktioniert wurde. Sie verfügen über einen wundervollen industriellen Charakter. Der Duft von Seife ist immer noch wahrnehmbar und hat mich zum Entwurf einer Seifenschale inspiriert.
Der Innenhof ist der Übergangsbereich zwischen Wohnen und Arbeit. Dort trifft man Nachbarn, trinkt Kaffee oder kocht gemeinsam mit den Leuten von den benachbarten Ateliers. Man tauscht sich aus, bereichert sich gegenseitig. Manchmal spielen hier die Kinder aus dem Haus.
Obwohl mir das alles so gut gefällt, bin ich auf Wohnungssuche. Ich war immer in Miete und würde nun gerne kaufen. Der Traum wäre ein Dachboden, ein leerer großer Raum, den man offen nutzen kann. Gestaltungsprinzipien und Ideen, die ich für meine Kunden entwickle, würde ich gerne auch mal für mich beanspruchen: Für mich zu planen, umzubauen, einzurichten – das würde mich sehr reizen." (7.9.2015)