
Von außen sieht er schon recht fertig aus, der "Erste Campus" beim Wiener Hauptbahnhof. Die Erste Immorent errichtet hier um 300 Millionen Euro das neue Headquarter der Erste Group. Auf einer (oberirdischen) Bruttogeschoßfläche von 117.000 m² entstehen hier 4.500 Arbeitsplätze.

Unterirdisch wird es nochmals rund 35.000 m² Nutzfläche geben, unter anderem nämlich einen großen Ladehof (Bild). Von hier aus werden alle vier Bauteile über einen "Logistikgang", der einen Kilometer lang ist, erschlossen. Die gesamte Versorgung des Komplexes, auch der im Erdgeschoß geplanten Lokale, und auch die Müllentsorgung wird über diesen Ladehof ablaufen. Auch 600 Pkw- sowie Motorrad- und Fahrradabstellplätze wird es hier geben.

Konzern-Tochter Immorent als Entwickler bleibt übrigens auch später Eigentümer der Objekte, die Erste Group und ihre mitziehenden Tochterunternehmen (u.a. s Bausparkasse, Sparkassenverband, SparInvest) werden die Flächen anmieten. Übergeben werden diese im Dezember, übersiedelt wird aber erst 2016 in mehreren Tranchen. Die Erste Group wird ihre Standorte dann von bisher 15 auf nur noch drei reduzieren – den bisherigen Hauptsitz am Graben, die IT-Zentrale in der Geiselbergstraße, und eben den Campus. Die so erzielte Flächeneinsparung wird laut Konzern-Sprecher Michael Mauritz auch eine Reduzierung der Betriebskosten "im zweistelligen Millionen-Bereich" mit sich bringen.
Viele Büros sind schon eingerichtet. Dass sie der STANDARD beim Baustellenbesuch fotografiert, war aber nicht erwünscht; die Mitarbeiter sollen ihre künftigen Arbeitsplätze nicht aus den Medien kennenlernen. Allerdings wird es ohnehin keine fixe Schreibtischzuordnung mehr geben, erklärt Mauritz. Das hier umgesetzte Konzept der "Neuen Arbeitswelten" sieht nämlich vor, dass sich jeder Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz täglich aufs Neue (innerhalb der eigenen Abteilung) selbst sucht. Weil wegen Urlauben, Dienstreisen, Krankenständen oder längeren Meetings praktisch niemals alle anwesend sein werden, benötige man auch nicht mehr für jeden einen eigenen Schreibtisch, so das Konzept. Jeder Mitarbeiter bekommt stattdessen einen versperrbaren Spind, in dem beispielsweise der persönliche Firmen-Laptop für die Zeit der Abwesenheit verstaut werden kann. Ob das wirklich funktionieren kann, wird sich zeigen. Bei der Gestaltung der Büros wurde immerhin viel Wert auf Tageslicht und Ruhebereiche gelegt.
Die Aula im Erdgeschoß (Bild) wird als öffentlicher Durchgang gestaltet und wurde laut dem Immorent-Projektleiter Christian Maeder "wie eine Brücke" als säulenlose Halle gebaut, die eine riesige Grundfläche überspannt. Die Betondecke ruht lediglich auf den zahlreichen Stahlstützen am Rand – eine statische Herausforderung.
Insgesamt wurden beim Campus 74.000 Kubikmeter Beton verbaut, erzählt Projektleiter Maeder, außerdem 5.000 m² an Terrazzo-Boden verlegt. Letzterer wurde zuvor auf einer Probefläche ausgiebig getestet, sprich: mit Kaffee überschüttet, angebohrt und auf jede auch sonst erdenkliche Art "malträtiert", ehe man sich dafür entschied.
Das Erdgeschoß der zwei Etagen überspannenden Aula ist noch öffentlich zugänglich, hier werden unter anderem ein Café und eine "Flagship"-Filiale sowie der Betriebskindergarten untergebracht. Ab dem 1. Obergeschoß beginnt dann die Sicherheitszone, in die nur Bank-Mitarbeiter Zutritt haben. Einen Tresor gibt es in dem Komplex natürlich auch, er befindet sich im 2. OG – wo genau, verrät der Pressesprecher nicht.
Ein modernes Auditorium (Bild) wird das von Hencke Schreieck Architekten geplante Gebäude ebenfalls aufweisen. Mit Kinobestuhlung passen 500 Personen hinein, es wird auch für Externe zu mieten sein.
Besonders stolz ist man auf das Energiekonzept, für das man auch bereits eine Vorzertifizierung nach DGNB in Gold erhielt. Geothermie, Betonkernaktivierung, Energierückgewinnung bei den Aufzugssystemen und eine Anbindung ans Fernwärme- und Fernkältenetz gehören ebenso dazu wie eine moderne LED-Beleuchtung.
Eine Doppelfassade – innen Lärchenholz, außen Glas, dazwischen Sonnenschutz – sorgt weiters für optimalen Energiehaushalt. Das Glas dient auch als UV-Filter, "damit das Holz nicht angraut", erklärt Maeder.
Die Fassadenflächen – 40.000 Quadratmeter – könnten eventuell später auch noch mit Photovoltaik-Folien nachgerüstet werden, sagt der Projektleiter. Auf den Dächern ist für Photovoltaik hingegen nicht viel Platz, sie wurden fast durchwegs extensiv begrünt.
Von einer der wenigen Dachterrassen rund um einen (internen) Veranstaltungsraum im Dachgeschoß hat man dann aber einen herrlichen Blick auf den Schweizergarten und das Arsenal. (Martin Putschögl, 5.9.2015)