Stirbt das Geschäft, schaut der Inhaber trotzdem durch die Finger. Anspruch auf Mindestsicherung besteht oft nur in der Theorie

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Wien – Für Julian Kriegl* war es das vorerst mit der unternehmerischen Karriere. Seit Ende 2010 versuchte er in Wien, Geld mit einem kleinen Modegeschäft zu verdienen. So richtig eingeschlagen hat sein Geschäftskonzept aber nie. Anfang 2014 kam er in finanzielle Nöte, konnte sich nur mehr dank Unterstützung von Freunden und Bekannten über Wasser halten und entschloss sich schließlich dazu, einen Antrag auf Mindestsicherung zu stellen.

Mehr als eineinhalb Jahre später hat er noch immer keinen positiven Entscheid in der Hand. Der Fall zeigt aber eindrücklich, wie schwer sich Behörden und auch die Gerichte mit der Mindestsicherung für Selbstständige tun.

Beim AMS melden

Grundsätzlich ist dieses letzte soziale Netz keineswegs nur unselbstständig Beschäftigten vorbehalten. Darauf machte auch das Verwaltungsgericht Wien in einer ersten Entscheidung zum Fall Kriegl aufmerksam. Verwiesen wurde im November 2014 auf Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs, wonach sich aus dem Mindestsicherungsgesetz "keine Differenzierung" zwischen Selbstständigen und Unselbstständigen ableiten lasse. Die Gewährung sei auch nicht von einer "vorangehenden Niederlegung der selbstständigen Tätigkeit abhängig zu machen".

Voraussetzung sei aber, dass der Hilfesuchende mit dem AMS zusammenarbeite und sich als arbeitssuchend melde. Gesagt, getan: Kriegl meldete sich beim AMS, versuchte aber parallel dazu, den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten. Mündlich sei ihm von einem Mitarbeiter der MA 40 auch mitgeteilt worden, dass er die Mindestsicherung – derzeit 827,83 Euro – bekomme.

Wieder abschlägiger Bescheid

Der schriftliche Bescheid fiel dann freilich neuerlich abschlägig aus. Zum einen wurde bemängelt, dass Kriegl zeitweise zu viel verdient habe, zum anderen hätten für den Rest der Zeit umfassende Einkommensbelege gefehlt.

Da das Magistrat zum Teil Umsatz mit Einnahmen verwechselte, ging der Kleinunternehmer neuerlich zum Verwaltungsgericht Wien. Die Probleme mit den fehlenden Dokumenten konnten ausgeräumt werden, alle Belege wurden nachgereicht. Das Gericht widerlegte auch die Annahme, Kriegl habe zu viel verdient. In den meisten Monaten lagen die Einnahmen unter 1000 Euro, wobei aber allein die Geschäftsmiete 1000 Euro ausmachte.

Andere Argumentation

Gekippt wurde der Bescheid dennoch nicht. Dieses Mal wurde nämlich ganz anders argumentiert. Kriegl hätte "bereits deutlich vor Antragstellung" erkennen müssen, dass die selbstständige Tätigkeit "keine Besserung des Ausmaßes der Kostendeckung" erwarten lasse.

Folglich hätte die selbstständige Tätigkeit "eingestellt werden müssen", heißt es in dem Urteil. Noch einmal zur Erinnerung: Im ersten Urteil wurde explizit betont, der Betrieb könne weitergeführt werden, solange man dem AMS zur Verfügung stehe. Nun hieß es, werde nach der Beantragung der Mindestsicherung "die (unwirtschaftliche) unternehmerische Tätigkeit fortgeführt, ist ein Bezug von Mindestsicherung parallel zur selbstständigen Tätigkeit nicht mit den Zielen des Wiener Mindestsicherungsgesetztes ... vereinbar".

Im Grunde argumentierte der Richter nun also gleich wie die MA 40 eineinhalb Jahre vorher in ihrem Bescheid, der vom selben Verwaltungsgericht gekippt wurde. Kriegl, der mittlerweile das Gewerbe stillgelegt hat, versteht die widersprüchliche Auslegung nicht und möchte nun zum Verwaltungsgerichtshof gehen. Die Mindestsicherung für Selbstständige beschäftigt also wieder das Höchstgericht. (Günther Oswald, 5.9.2015)