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Fed-Chefin Janet Yellen muss sich entscheiden
Seitdem die chinesische Börse und Konjunktur ins Rutschen geraten ist, werden die Stimmen in- und außerhalb der USA immer lauter, die von der Federal Reserve eine Verschiebung der im September erwarteten Zinserhöhung verlangen. Neben dem früheren Finanzminister Lawrence Summers hat dies nun auch der Internationale Währungsfonds (IWF) vor einem Zinsschritt am 17. September gewarnt.
Wie immer die Fed und ihre Chefin Janet Yellen sich entscheiden – die Auswirkungen werden nicht dramatisch sein. Denn eine Abkehr von der Nullzinspolitik noch vor Jahresende ist unvermeidbar. Es geht um einen Unterschied von höchsten drei Monaten.
Gratisgeld der Notenbanken als Normalfall?
Aber es stellt sich dabei auch eine grundsätzliche Frage, die langfristig sehr wohl den Lauf der Wirtschaft beeinflussen wird: Ist Gratisgeld der Notenbanken der neue Normalfall, von dem man sich nur abwendet, wenn besondere Faktoren dafür sprechen? Oder ist es eine Ausnahme für ganz besondere Notlagen wie dem Zusammenbruch des Weltfinanzsystems nach der Lehman-Pleite im September 2008, die möglichst bald wieder beendet werden soll?
Ich würde stark für die letztere Sichtweise plädieren. Nullzinsen verzerren die Wirtschaft und die Finanzen. Sie führen zu einer schleichenden Vermögensverschiebung von Sparern zu Kreditnehmern und fördern daher genau das, was die Weltwirtschaft in die Lehman-Krise hineingeführt hat – ein Übermaß an Schulden.
Greenspans Fehler war das Warten
Nullzinsen kreieren neue Blasen und leiten Gelder in riskante und weniger produktive Anlageformen um. Sie machen das Leben von verschuldeten Staaten und Haushalten zwar vorübergehend leichter, aber schaffen langfristig viel größere Probleme.
Man sollte nicht vergessen, dass eines der Ursachen der Weltfinanzkrise die Tatsache war, dass der frühere Fed-Vorsitzende Alan Greenspan in den Jahren vor 2008 die US-Zinsen zu spät und zu wenig erhöht hat – und dadurch die katastrophale Immobilienblase zugelassen hat.
US-Wirtschaft wächst kräftig
Das alles könnte man wegschieben, würde die amerikanische Wirtschaft noch schwächen. Aber das tut sie nicht mehr. Das Wachstum ist kräftig, und die Arbeitslosenrate mit 5,1 Prozent auf dem Niveau, bei dem Ökonomen von Vollbeschäftigung sprechen (es gibt viel strukturelle Arbeitslosigkeit in den USA). Nullzinsen sind bei einer solchen Wirtschaftslage schon lange nicht mehr angemessen.
Aber was ist mit dem Unsicherheitsfaktor China? Sollte die chinesische Wirtschaft tatsächlich in eine Rezession schlittern, dann würde das auch den Ausblick für die US-Wirtschaft trüben. Doch das ist derzeit nicht wahrscheinlich.
Chinas Abkühlung ist eine Korrektur
Die Abschwächung des chinesischen Wachstums lässt sich als notwendige Korrektur der zu sehr auf Investitionen und Exporte aufbauenden Wirtschaftspolitik der früheren Jahre sehen. Diese Korrektur kann lange dauern. Wenn die Fed wartet, bis sie weiß, wie es in China weitergeht, könnten noch Jahre ins Land ziehen.
Eine Zinserhöhung würde andere Schwellenländer wie Brasilien, Indonesien oder die Türkei belasten. Denn diese brauchen ausländisches Kapital, das dann teurer werden und wieder stärker in die USA fließen würde. Deshalb ist auch der IWF so sehr gegen eine Zinserhöhung.
Nicht die Notenbank für die ganze Welt
Aber davon sollte sich die Fed nicht leiten lassen. Sie kann nicht Notenbank für die ganze Welt spielen, sondern muss sich nach den Bedingungen im eigenen Land richten. Und Schwellenländer, die nur florieren, wenn die US-Zinsen auf null stehen, haben ohnehin ein Problem, das sie dringend auf andere Weise lösen müssen.
Eine Verschiebung der Zinswende wäre außerdem ein Signal, dass die Notenbanker die Lage in China dramatisch einschätzen und um die Zukunft der Weltwirtschaft fürchten. Das könnte den Pessimismus weiter verstärken und zu einer „self-fulfilling prophecy“ werden.
Besser, die Fed tut das, was sie vorhatte und was der starken US-Wirtschaft entspricht. Bei jeder Weggabelung zu stoppen und lange nachzudenken, wohin man das Fahrzeug steuert, ist auch ein Zeichen von Führungsschwäche. Doch Führung ist genau das, was Anleger und Wirtschaftspolitiker in aller Welt von der amerikanischen Notenbank erwarten. (Eric Frey, 6.9.2015)