Bild nicht mehr verfügbar.

Irans Außenminister Mohammad Javad Zarif (re.) konnte kürzlich seinen britischen Kollegen Philip Hammond in Teheran begrüßen.

Foto: EPA / Abedin Taherkenareh

Hektisch geht es zu in den iranischen Staatsbüros, die nach jahrelanger Entwöhnung plötzlich mit einem wahren Ansturm ausländischer Besucher konfrontiert werden. Die Österreicher, die am Montagabend in Teheran eintreffen, sind bei weitem nicht die Ersten – aber auf alle Fälle die hochrangigste und größte Delegation aus dem Westen, die den Abschluss des Atomdeals mit dem Iran im Juli abgewartet hat, um an frühere Zeiten besserer Beziehungen anzuknüpfen: der Bundespräsident – Heinz Fischer ist der erste europäische Staatschef seit 2004; Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, der in Personalunion hier auch als Wirtschafts und Wissenschaftsminister fungiert; Außenminister Sebastian Kurz, eine Wissenschafts- und eine Kulturdelegation, Vertreter von Institutionen und Instituten, und, die größte Gruppe, die Wirtschaft.

Österreich hat den Bonus, dass es Austragungsort der Atomgespräche war; die letzte, entscheidende Runde fand in Wien statt. Aber auch die europäischen Verhandlerstaaten Großbritannien, Frankreich und Deutschland lassen nicht auf sich warten: London hat seine Botschaft wiedereröffnet, die Deutschen schickten Vizekanzler Sigmar Gabriel, und der französische Präsident François Hollande griff selbst zum Telefon, um die Kommunikation mit seinem Amtskollegen Hassan Rohani wieder aufzunehmen.

Amerikaner allen voran

Schon vor dem Durchbruch bei den Atomverhandlungen pilgerten Geschäftsleute aus aller Welt mit der Hoffnung auf Vorverträge nach Teheran: wenn man den Gerüchten glaubt, allen voran die Amerikaner. Aber noch ist es nicht so weit, die internationalen Wirtschafts- und Finanzsanktionen – so ist der Iran etwa nicht mehr Teil des weltweiten Swift-Systems – werden erst nach dem "Implementation Day" des sogenannten "Aktionsplans", den der Iran und die internationalen Verhandler (EU, fünf Uno-Vetomächte, Deutschland) abgeschlossen haben, aufgehoben. Voraussetzung ist die erfolgreiche Erledigung einer "Roadmap" zwischen dem Iran und der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA).

Die Stimmung im Iran ist besser als früher, die Menschen verknüpfen mit dem Abschluss des Atomdeals vielerlei Hoffnungen für die Zukunft. Hinter den Erwartungen stecken Ungeduld und Frustration. "Fragen Sie den Präsidenten, wann endlich leichtere Zeiten für uns kommen, 36 Jahre nach der Revolution", sagt ein Iraner zum STANDARD. Die Bereitschaft zur Beschneidung der nuklearen Ambitionen rührt zweifellos auch von der Einsicht der Führung her, dass die iranische Gesellschaft längst nicht mehr die "revolutionäre" ist, als die sie die ideologischen Hardliner weiter sehen wollen.

Ausländische Goldgräber

Die prompte große Öffnung sollte niemand erwarten. Für die Regierung Rohani ist diese Übergangszeit – hoffentlich ist sie das – ein Balanceakt zwischen dem, was von außen von ihr erwartet wird, und dem, was ihr von innen gestattet ist. Was die Ausländer hören wollen, bringt die inländische Opposition in Rage.

Auch nicht alle ausländischen Goldgräber werden auf ihre Rechnung kommen. Rohani stellte kürzlich klar, dass sich der Iran nicht damit zufriedengeben werde, dass die Ausländer das Land lediglich als erneut zugänglichen Markt betrachten, auf dem sie ihre Waren loswerden können. Der Iran will gemeinsame Projek- te, Investitionen, Joint Ventures: Das Geld soll im Land bleiben.

Iran als Brücke nach Asien

Rohanis Stabschef Mohammed Nahavandian, einer der Wirtschaftsköpfe der Regierung (siehe auch Seite 7), will nicht von Restriktionen sprechen, sondern verteidigt die "Vision" Rohanis: Die iranische Wirtschaft müsse entwickelt werden, und davon können auch die Europäer profitieren – etwa indem sie den Iran als Brücke nach Asien ansähen.

Eine gut ausgebildete Jugend wartet auf Chancen und Perspektiven, aber Geld alleine wird dafür nicht reichen. Ein Blick auf die Straßen im reicheren Nordteheran zeigt, dass die Jugend vor allem eines will: ganz normal leben – oder das, was sie dafür halten. Das weiße Pflaster über der operierten Nase wird getragen wie ein Abzeichen, dass man dazugehört. Auch konservativ gekleidete junge Frauen gehen Hand in Hand mit dem Freund spazieren, und nicht nur in dunklen Winkeln: Wäre da nicht die islamische Kleidung der Frauen als Identitätsmarker, nichts würde den Iran als "islamisch" erkennbar machen.

Schüsse vor den Bug

Rohani, der seine Wahlkampagne 2013 auch mit dem Versprechen von mehr Freiheiten und Menschenrechten führte, ist immer wieder mit Warnungen konfrontiert, dass seine Bäume nicht in den Himmel wachsen: zuletzt, als er öffentlich die Meinung vertrat, dass der Atomdeal nicht vom Parlament behandelt werden müsse – und ihm der religiöse Führer prompt widersprach.

Wie sich das Parlament mit dem "Aktionsplan" auseinandersetze, ob dieser in Gesetzesform gegossen werden müsse, sei eine Frage für Juristen, ließ Khamenei wissen. Aber eine Rolle habe es. Dass das Parlament etwas anderes als den Willen Khameneis erfüllen könnte, glaubt niemand. Aber Gelegenheit zum Luftablassen wird es bekommen. (Gudrun Harrer aus Teheran, 6.9.2015)