Gebannt blickte die internationale Presse nach Marseille: Würde Jean-Marie Le Pen den Nerv haben, sich den Weg in die Parteiversammlung des Front National und aufs Podium gleichsam freizuschießen, um dort seine eigene Tochter Marine niederzumachen? Sie, die ihn kürzlich hochkant aus der Partei geworfen hatte?

Doch der "Alte" überraschte einmal mehr – diesmal nicht mit einer antisemitischen Ungeheuerlichkeit, sondern mit boshafter Raffinesse: Er werde jetzt den "Rassemblement Bleu Blanc Rouge" (Zusammenschluss Blau Weiß Rot) gründen, um Frankreichs Rechte wieder auf Linie zu bringen. Soll heißen: dem Front National Wähler wegzunehmen. Ein Kalkül, das durchaus aufgehen könnte.

Marine Le Pen strebt danach, im Élysée als Präsidentin Gäste und Bittsteller oben auf dem Treppenabsatz zu empfangen. Das gönnt ihr der Vater nicht. Mit 87 Jahren wäre es nicht zu früh, sein politisches Vermächtnis zu übergeben. Stattdessen bevorzugt er die komplette Zerstörung ohne Rücksicht auf Verluste.

Nie und nimmer wird die Rechts-außen-Partei im Zeichen der Tricolore genug Stimmen bekommen, um selbst politisches Gewicht zu erlangen – doch um sich an der Tochter zu rächen, dafür reicht es möglicherweise gerade noch. Eine Politik der verbrannten Erde, bei der der Zündler selbst auch umkommen könnte. Le Pen senior weiß es, dennoch hält er das brennende Streichholz bereits in der Hand. (Gianluca Wallisch, 6.9.2015)