Mexiko-Stadt/Innsbruck – Eine internationale Expertengruppe hat die offiziellen Ermittlungen zum Massaker an 43 Studenten im mexikanischen Bundesstaat Guerrero als unhaltbar zurückgewiesen. Die Erklärung, ihre Leichen seien eingeäschert worden, sei in sich nicht haltbar, hieß es am Sonntag in Mexiko-Stadt. Staatspräsident Enrique Pena Nieto unterstützte die Schlussfolgerungen der Experten.

Nach Darstellung der mexikanischen Staatsanwaltschaft waren vor knapp einem Jahr in der Stadt Iguala nach einer Demonstration 43 Studenten von Polizisten verschleppt und einer kriminellen Organisation übergeben worden. Mehrere Bandenmitglieder gaben an, die jungen Leute getötet und ihre Leichen auf einer Müllhalde im naheliegenden Ort Cocula verbrannt zu haben.

60 Stunden lang

Die von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) eingesetzte Experten Gruppe GIEI kam nach dreimonatigen Untersuchungen nun zu dem Schluss, die Verbrennung der Leichen könne so nicht stattgefunden haben. Es hätten weder die notwendigen Brennstoffe zur Verfügung gestanden, noch habe es ausreichend lange gebrannt. Es hätten 30 Tonnen Holz, 13 Tonnen Autoreifen und 13 Tonnen Diesel mindestens 60 Stunden lang brennen müssen, um 43 Leichen einzuäschern, sagte der chilenische Rechtsanwalt Francisco Cox. Am Brandort wurde nur eine Leiche identifiziert.

Es gebe "keinen Beweis, der auf den Brand eines Scheiterhaufens von solcher Größe für auch nur eine Leiche hinweist", schrieb auch der an der Untersuchung beteiligte Professor der australischen University of Queensland, Jose Torero. Weitere sterbliche Überreste wurden am Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck (GMI) untersucht.

Die Experten äußerten sich besorgt über die Verschleierung von Beweismaterial und Einschüchterungen von Zeugen, die die Ermittlungen erschwert hätten. Die GIEI empfahl, eine Kommission zur Untersuchung der Verschleppungen in Mexiko zu bilden und eine besondere Gesetzgebung zur Verfolgung dieser Verbrechen auszuarbeiten.

Windige Zeugenaussagen

Die Untersuchungskommission bemängelte überdies, die Zeugenaussagen von fünf Verdächtigen zu der mutmaßlichen Einäscherung seien voller Widersprüche. Vorwürfe, Verdächtige seien Aussagen unter Folter abgepresst worden, müssten geprüft werden. In dem Fall wurden bereits mehr als hundert Verdächtige festgenommen, darunter örtliche Polizeikräfte.

Die Kommission forderte überdies eine Untersuchung des Verhaltens der Bundespolizei und der Armee in der Nacht zum 27. September. Damals hatte die städtische Polizei von Iguala auf Busse geschossen, die von unbewaffneten Studenten besetzt worden waren. Außerdem sollten die Behörden die Hypothese untersuchen, dass die Studenten unbeabsichtigt einen Bus in Beschlag nahmen, der für den Schmuggel von Heroin benutzt wurde.

Harsche Kritik

"Dieser Bericht liefert eine völlig verdammende Verurteilung von Mexikos Umgang mit der schlimmsten Schandtat gegen Menschenrechte in der jüngsten Vergangenheit", erklärte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.

Die Angehörigen der verschwundenen Studenten forderten Pena Nieto auf, sich mit ihnen zu treffen. Dies hatte der Präsident bisher erst ein Mal im Oktober getan. "Er und sein Sicherheitskabinett haben gelogen und haben uns eine Zeit des psychologischen und emotionalen Traumas erleiden lassen", sagte der Sprecher der Angehörigen, Felipe de la Cruz, über Pena Nieto.

Bei der Vorstellung des Untersuchungsberichts hatten einige Angehörige "Es war der Staat" gerufen. Die neue Generalstaatsanwältin Arely Gomez kündigte an, Forensiker mit einer neuen Untersuchung der Spuren auf der Müllkippe zu beauftragen

Pena Nieto verpflichtete sich, die Vorschläge der Expertengruppe zu beachten. "Ich habe die Regierungsstellen angewiesen, jede der Empfehlungen zu durchdenken", schrieb der mexikanische Präsident auf seinem Twitter-Account. (APA, 7.9.2015)