Wien – Der Kampf gegen Sozialbetrug, besonders in der Baubranche, soll helfen, die Steuerreform zu finanzieren, hofft die Regierung. Es gibt bei Sozialbetrug zwei Maschen, erklärt die Staatsanwältin dem Schöffensenat unter Vorsitz von Nicole Rumpl im Prozess gegen Nevat Ho. und Gerlinde Hu., denen im Fall von Ho. gewerbsmäßiger schwerer Betrug und Sozialbetrug vorgeworfen wird. Hu. soll beim zweiten Delikt geholfen haben.

Die eine Masche ist, die Sozialversicherung zu prellen. Man gründet oder kauft Firmen, die tatsächlich tätig sind, zahlt aber die Versicherungsbeiträge für die Arbeiter und Angestellten nicht. Diese Ersparnis führt dazu, dass man zur "Schmutzkonkurrenz" wird, wie es die Anklägerin bezeichnet, da man die Konkurrenz unterbieten kann.

Die andere Version ist, Unversicherte ein paar hundert Euro zahlen zu lassen und sie dann zum Schein mit deutlich überhöhtem Lohn anzustellen. Was höheres Arbeitslosengeld und höhere Pensionsbeiträge bedeutet.

Widersprüche bei Finanzpolizei

Beides soll Ho. gemacht haben. Er bekennt sich nicht schuldig, da, wie es Verteidiger Elmar Kresbach ausführt, "es nur Indizien gibt. Selbst die Finanzpolizei sagte, dass die Aussagen der Zeugen oberflächlich, widersprüchlich und wenig glaubhaft sind."

Der 38-jährige Erstangeklagte beteuert, nichts mit der Sache zu tun zu haben, sondern in mehreren Firmen nur ein kleiner Angestellter gewesen zu sein. Er habe eine Champignonzucht gehabt, ebenso eigene Projekte in der Baubranche.

Es gibt nur ein kleines Problem: Wenn das stimmt, muss der äußerst eloquent und ruhig auftretende Angeklagte ziemlich willfährig und in erstaunliche Zufälle verwickelt gewesen sein.

Er will nur Untergebener von insgesamt drei Männern gewesen sein, von denen keiner auffindbar ist. Zwei habe er in einem Café kennengelernt, einer aus dem Trio hat nachweislich einen gefälschten Ausweis benutzt.

Unterlagen und dubiose Stempel

Dieses Dokument hat man in Ho.s Büro gefunden. Ebenso wie Unterlagen und Stempel aller möglichen betroffenen Firmen und Laptops, auf denen sowohl geschäftliche als auch private Dinge abgespeichert waren. Dass sich der Angeklagte gegenüber einem Anbieter virtueller Büros mit einem falschen Namen ausgegeben hat, wirft auch nicht das beste Licht auf den dreifach Vorbestraften.

Er bleibt dabei: "Ich habe die ganzen Sachen nur für die anderen aufbewahrt." – "Und warum haben die das nicht selbst gemacht?", wundert sich Rumpl. Der eine habe gerade seinen Firmensitz gewechselt, der andere sei selten in Österreich gewesen, hört sie als Erklärung. Zusätzlich habe er zwei der drei Arbeitgeber Schlüssel zum Besitz des Vaters gegeben.

Auch der Laptop, auf dem Firmenmailadressen gefunden wurden, gehöre nicht ihm, er habe ihn aber mitbenutzen dürfen, daher seien private Fotos auf der Festplatte. Handschriftliche Aufzeichnungen habe er im Auftrag gemacht, den falschen Namen ebenso daher verwendet. "Das ist ja nicht verboten, ich wollte nicht lange diskutieren und habe nie etwas unterschrieben", betont er.

300.000 Euro Rückstand

Insgesamt habe er eher Botendienste gemacht oder versucht, Aufträge an Land zu ziehen. Mit mäßigem Erfolg. "Wie kommen dann 300.000 Euro Rückstand bei der Sozialversicherung zustande, wenn es keine Aufträge gab?", will die Staatsanwältin wissen. "Die Firma ist im Februar 2013 verkauft worden, der Schaden kann erst ab diesem Zeitpunkt entstanden sein", sagt der Angeklagte.

Auch Seltsamkeiten bei abgehörten Telefongesprächen tut er als harmlose Formulierungen, Angebereien oder Gefälligkeiten für Bekannte ab.

Ganz anders verhält sich Gerlinde Hu., die geständig ist. Ja, sie habe als freiberufliche Buchhalterin elf Arbeitnehmer angemeldet, deren Daten sie vom Erstangeklagten bekommen habe. Und ja, sie habe sich gedacht, dass irgendetwas nicht stimme, der Schaden für die Versichertengemeinschaft betrug im Endeffekt über 6000 Euro.

Unbescholtene Pensionistin

Die 66-jährige unbescholtene Pensionistin hatte Ho. zufällig kennengelernt, da sie früher Buchhalterin gewesen sei, habe sie ihm ihre Dienste angeboten. In Bratislava habe sie dann auch den angeblichen Geschäftsführer einer Firma kennengelernt, stützt sie die Version ihres Mitangeklagten.

Allerdings: Telefonisch erreichbar sei dieser Mann nicht mehr gewesen, alles sei über Ho. gelaufen. Ein Honorar habe sie für die Arbeit nicht erhalten, sie hatte gehofft, dann in Ho.s eigener Firma angestellt zu werden.

Ihrem Verteidiger Ernst Schillhammer gelingt dann durchaus Erstaunliches – er erreicht in einem Schöffenverfahren eine Diversion. Statt einer Verurteilung entscheidet der Senat auf 120 Stunden gemeinnütziger Arbeit, leistbar innerhalb von 600 Monaten. Zusätzlich muss sie 500 Euro Schadenersatz leisten – wohl in Raten, sie befindet sich in Privatkonkurs.

Das Verfahren gegen Ho. geht weiter und soll am 14. September enden. (Michael Möseneder, 8.9.2015)