Eisenstadt – Am Wochenende hat Burgenlands Polizeidirektor Hans Peter Doskozil Klage geführt, dass die Kommunikation mit der ungarischen Seite abgerissen sei. Überraschend. Normalerweise – "im Schlepperfall mit den 71 Toten etwa" – funktioniere die Zusammenarbeit ja klaglos. Dass die österreichische und ungarische Polizei da in solcher Windeseile und Zielgenauigkeit agierten, ist kein Zufall. Seit Jahren pflegt die Polizei eine grenzüberschreitende Kooperation. Nicht nur mit Ungarn, aber mit Ungarn am längsten, sagt Rainer Bierbaumer.

Bierbaumer, Oberst seit Anfang August, ist der Bezirkskommandant von Neusiedl am See und der wohl bestinformierte Mann für grenzüberschreitende Polizeiarbeit. In seinen Zuständigkeitsbereich fallen gleich zwei PKZs, Polizeikooperationszentren. In dem seit 2001 tätigen PKZ Nickelsdorf-Hegyeshalom läuft der Draht nach Ungarn, in Kittsee-Jarovce der nach der Slowakei.

Insgesamt betreibt Österreich sechs solcher Zentren. Neben den zwei im Burgenland eines in Drasenhofen-Mikulov, dort schließt man sich mit Tschechien kurz, in Tisis-Schaanwald tut man das mit der Schweiz und Liechtenstein. Auch in Thörl-Maglern wird trilateral kooperiert, da hat Österreich sich mit Italien und Slowenien zusammengetan. Und im ungarischen Dolga Vas sind österreichische mit kroatischen, ungarischen und slowenischen Polizisten am Werk.

Die Sprache der Nachbarn

In Nickelsdorf und Kittsee versehen je 15 österreichische Beamte und 15 aus den Nachbarländern Dienst. "Die müssen die Sprache des Nachbarn beherrschen." Das ermöglicht nicht nur die Teilnahme an Vernehmungen, wie das im aktuellen Schlepperfall ja der Fall war, sondern vor allem das gemeinsame Streifen im Grenzraum. Das tun die Beamten nicht nur anlassbezogen – "Beim Nova Rock in Nickelsdorf hat sich das zum Beispiel sehr bewährt" – sondern fast täglich, wie der Oberst penibel belegen kann. "2014 gab es 359 gemischte Streifen."

Die Sprachkundigkeit ist das eine. Für fast noch wichtiger hält Rainer Bierbaumer aber die persönliche Bekannt- bis Freundschaft der Beamten, die so vieles im bürokratischen Alltag erleichtert. "Wenn man was braucht, weiß man, wen man zu kontaktieren hat." Jeder hat die Handynummern aller anderen, das ging im Fall des Falles dann auch sehr schnell. So wie im März 2014, als ein bewaffneter Räuber aus Kittsee in die Slowakei flüchtete. "Der ist nicht einmal bis zur Stadtgrenze von Bratislava gekommen."

Alarmfahndung und Nacheile

Ist der Amtsweg kurz, ist es der Fluchtweg auch. Schengen, das im politischen Volksmund gerne als der Born allen grenzüberschreitenden Übels bezeichnet wird, hat den polizeilichen Sachverstand nämlich auch mit zusätzlicher Kompetenz ausgestattet. Mit der Möglichkeit der sogenannten Nacheile etwa, die aktuelle Verfolgungen aufs nachbarliche Hoheitsgebiet erlaubt. Und weil man die Nachbarn gut kennt aus dem gemeinsamen Büroalltag, wird währenddessen fernmündlich auch gleich die Alarmfahndung ausgelöst. So konnte ein Österreicher, der in Ungarn eine Tankstelle überfallen hatte, auf burgenländischer Seite gestellt werden.

Solche Kooperationszentren gibt es auch an anderen Grenzen. "Das legt sich wie ein Netz über ganz Europa." Halten Burgenländer ein verdächtiges Fahrzeug an, "sagen wir mit französischer Nummerntafel, dann rufen wir in Kehl-Straßburg an, wo das deutsch-französische Zentrum daheim ist". Man habe so einen sehr niederschwelligen Zugriff auf den Datenbestand in ganz Europa.

Das hat sich rasant entwickelt; von jährlich 450 Anfragen im Jahr 2001 auf 8.500 im Vorjahr – allein in Nickelsdorf. Und weil Oberst Bierbaumer zu schauen hat auf die Seinen, vergisst er nicht hinzuzufügen, dass die "15 systemisierten Beamten" damit schon am Limit seien.

Europol und Eurojust

Über diese polizeilich-grenzüberschreitende Basis wölbt sich die im niederländischen Den Haag beheimatete Europol, "die agiert aber eher strategisch", analysiert die Flechtwerke der organisierten Kriminalität. Ebenfalls in Den Haag logiert die europäische Justizbehörde Eurojust, die auch im aktuellen Schlepperfall die Strafverfolgungen koordiniert.

Eine Koordination, die durchaus so ähnlich funktioniert wie die an den PKZs. Anstatt aufwendige Rechtshilfeersuchen aufzusetzen und mühsam von Ministerium zu Ministerium zu verhandeln, geht man einfach ins Nebenzimmer. Im Fall der Schlepperbande aus Kecskemét klopfte der ungarische Delegierte an die österreichische Zimmertür und meinte: "Schließen wir uns doch kurz." (Wolfgang Weisgram, 7.9.2015)