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Stephen Colbert auf dem Gipfel seiner humoristischen Karriere. Der 51-Jährige tritt die Nachfolge von David Letterman an.

Foto: Richard Shotwell/Invision/AP

Washington – Stephen Colbert ist so etwas wie der scheinzornige Scheinkonservative der amerikanischen Fernsehsatire. Jedenfalls war er das, ein Komiker, der sich schelmisch verstellte, indem er den spießigen, durch nichts zu beirrenden Rechthaber gab. "Sehen Sie, Fakten können sich ändern, doch meine Meinung ändert sich nie, wie auch immer die Fakten sein mögen", lautete seine Devise. Wenn der Südstaatler aus South Carolina am Dienstag die Late-Night-Show des Altmeisters David Letterman übernimmt, stellt sich die Frage, was den echten Stephen Colbert wohl unterscheidet vom "falschen", an den man sich so gewöhnt hatte.

Sternstunden

Letzterer feierte kleine Sternstunden, wenn die Realität seine festgezurrten Ansichten dann doch widerlegte. Etwa in Vicco, einem abgelegenen Dorf in der Kohleregion der Appalachen, dessen Bevölkerung dem Stereotyp nach nur aus Hillbillies, also Hinterwäldlern, besteht. Als Colbert mit gespieltem Ernst die These aufstellte, dass ein schwuler Bürgermeister, wie er dort die Amtsgeschäfte führte, Amerikas traditionelles Wertegebäude in seinen Grundfesten erschüttert, ließen ihn die Bürger von Vicco mit einer Selbstverständlichkeit ins Leere laufen, dass sich sämtliche Hillbilly-Klischees in Wohlgefallen auflösten. Der schwule Mayor, beteuerte einer nach dem anderen, sei der beste, den sie je hatten.

White House Correspondents’ Dinner 2006

Unvergessen auch die verbalen Florettstiche, mit denen Colbert den Präsidenten George W. Bush 2006 beim White House Correspondents’ Dinner attackierte, der Pressegala Washingtons. Der Feldzug im Irak hatte sich als Desaster entpuppt, Bushs Beliebtheitswerte waren im Keller, der Spötter spendete Trost. 68 Prozent der Wähler, zitierte er Umfragen, seien nicht einverstanden damit, wie der Präsident seinen Job mache. "Schenken Sie dem keine Beachtung. Heißt das nicht logischerweise auch, dass 68 Prozent der Amerikaner einverstanden sind mit dem Job, den Sie nicht machen?" Im Übrigen, wiederholte Colbert einen Lehrsatz der Rechten, regiere eine Regierung am besten, wenn sie so wenig wie möglich regiere, statt sich in alles einzumischen. "In diesem Sinne haben wir im Irak doch ein großartiges Kabinett aufgebaut."

Humoristische Karriere

Colberts humoristische Karriere begann damit, dass er seinem Kollegen Jon Stewart half, die zuvor eher unpolitische Daily Show zu einer politischen Sendung zu machen. Geboren in Charleston, als elftes von elf Kindern, hatte er hart daran gearbeitet, den Südstaatendialekt abzulegen: Dem Klischee nach gelten Südstaatler in New York als ein wenig beschränkt. 2005 trennte er sich von Stewart, um sein Glück mit einer eigenen Show zu versuchen, dem Colbert Report. Damit wurde er so erfolgreich, dass ihn CBS zu Lettermans Nachfolger kürte, lange bevor der Veteran Abschied nahm. Es sind Szenen einer Wachablösung: Jay Leno, Lettermans ewiger Konkurrent, wurde vom jungdynamischen Jimmy Fallon abgelöst, während der aufstrebende Südafrikaner Trevor Noah Jon Stewart ersetzt. Colberts erster Gast lässt komödiantische Traditionspflege vermuten: Jeb Bush, der Bruder von George W. (Frank Herrmann aus Washington, 8.9.2015)