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Die Proteste der Landwirte in Brüssel verliefen friedlich, nur Eier wurden geworfen

Foto: reuters

Überall Bereitschaftspolizei, mehrere Wasserwerfer und jede Menge roter, gelber und grüner Traktoren haben am Montag das Bild im Brüsseler Europaviertel geprägt. Tausende Bauern, besonders aus Frankreich und Deutschland, aber auch Finnland, Italien und Dänemark haben Teile der belgischen Hauptstadt mit einem Demonstrationszug lahmgelegt.

Die Landwirte, die meisten davon Milchbauern, forderten von der EU ein hunderte Millionen Euro schweres Hilfspaket wegen der zuletzt stark gefallenen Milchpreise. "Ich bin hier, um ein Alarmzeichen zu setzen", sagte der Landwirt Jacky Toullier, der aus dem französischen Kleinort Vire in der Normandie angereist war. "Die Supermärkte nehmen uns die Luft zum Atmen", so Toullier, noch im vergangenen Jahr habe er 35 Cent je verkauften Liter Milch erhalten, inzwischen sind es nur 28 Cent.

Niedrige Milchpreise

Tatsächlich sind die Milchpreise in vielen EU-Ländern gefallen, in Österreich seit Jahresbeginn um rund 25 Prozent. Verantwortlich dafür sind laut Vertretern der Milchbauern drei Faktoren: Wegen der Sanktionen sind die Ausfuhren von Milch- und Käseprodukten nach Russland eingebrochen. Auch der chinesische Absatzmarkt schwächelt, und schließlich gibt es auch in Europa selbst eine schwächere Nachfrage.

Allerdings gibt es an dieser Darstellung auch Kritik. Nur rund 1,5 Prozent der in der EU hergestellten Milch werden nach Russland exportiert, also nur eine verschwindend kleine Menge.

Änderung des Milchmarktes

Eine entscheidende Rolle spielt daher wohl eine grundlegende Änderung am Milchmarkt. Bis Ende März 2015 galt in der EU die Milchquotenregelung. Dabei verfügte jeder Kuhmilcherzeuger über eine handelbare Produktionsquote. Wer mehr Milch herstellte, musste eine Strafzahlung entrichten, die ins EU-Budget floss. Seit fünf Monaten kann jeder Bauer so viel produzieren, wie er möchte.

Der Bund deutscher Milchviehhalter ortet in einer Überproduktion die Hauptursache für die Krise und fordert die Einführung einer Quotenregelung auf Zeit. Tatsächlich ist die Überproduktion stark gestiegen: Im vorletzten Jahr mussten Landwirte in der EU Strafzahlungen in Höhe von 400 Millionen Euro für zu viel hergestellte Milch leisten. Im letzten Jahr, in dem die Milchquote galt, waren es mehr als 800 Millionen.

Keine Produktionsbeschränkungen

Dennoch lehnten die EU-Agrarminister, die am Montag zu einem Krisentreffen in Brüssel zusammenkamen, die Einführung von Produktionsbeschränkungen ab. Nur wenige Wochen nach ihrer Abschaffung zur Quote zurückzukehren war für die meisten Länder nicht wünschenswert.

Doch die Alarmrufe der Bauern sollten nicht ungehört bleiben. Die EU-Kommission schlug zum Beginn des Treffens vor, den Landwirten 500 Millionen Euro an Hilfe zur Verfügung zu stellen. Besonders die französische Regierung drängt auf Notmaßnahmen. Geplant ist das Vorziehen von Direktzahlungen an Landwirte.

Milch für Asylwerber

Zusätzlich soll es eine Exportoffensive geben. Auch in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen sollen verstärkt Milchprodukte verkauft werden. Österreichs Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) sagte auch, man könnte den Absatz von Milch durch die zusätzliche Abgabe an Asylwerber fördern.

Entgegen den Erwartungen gelang den Agrarministern aber keine Einigung. So konnte nicht geklärt werden, nach welchem Schlüssel die 500 Millionen Euro auf die 28 EU-Länder aufgeteilt werden sollen. Immerhin ist klar, woher der Großteil des Geldes kommen soll: Die erwähnten Mehreinnahmen aus der Milchabgabe dürften verwendet werden.

Interventionspreis strittig

Gestritten wird auch über den Interventionspreis: Die EU-Kommission kauft immer wieder Butter und Milchpulver zu einem fixen Preis auf – bei Butter sind dies 246,39 Euro je 100 Kilo. Fallen die Marktpreise unter diesen Wert, wird gekauft. Der Referenzpreis hat sich seit 2007 nicht geändert.

Österreich und Irland würden eine befristete Anhebung dieser Preise unterstützen. Die Kommission ist skeptisch, weil sie fürchtet, sonst dauerhaft eingreifen zu müssen. Eine Einigung der Agrarminister soll es spätestens kommende Woche bei einem Treffen in Luxemburg geben.

Die Hilfsbereitschaft stößt aber nicht nur auf Zustimmung. Andere Berufsgruppen können von einer Hilfe wie für die Bauern nur träumen. Alexander Anton, der die Milchproduzenten in Brüssel vertritt, weist die Kritik an der "Überförderung" zurück. Wer eine funktionierende Landwirtschaft wolle, müsse Milchbauern unterstützen (András Szigetvari aus Brüssel, 7.9.2015)