Linz – Auf der Anklagebank im Saal 132 nahm am Dienstagmorgen kein furchteinflößender "Gotteskrieger" Platz. Ibrahim A. geht, rein optisch, als Durchschnittsjugendlicher durch: Kapuzenpulli, Sneakers, Trendfrisur. Und doch ist so vieles im Leben des 18-Jährigen bislang abseits der Norm verlaufen. Trauriger Höhepunkt und der Grund für das unfreiwillige "Treffen" mit Richter Walter Eichinger: Ibrahim A. reiste im Juni in die Türkei, um sich dort der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) anzuschließen. Mitwirkung in einer terroristischen Vereinigung heißt es in der Anklageschrift.

IS-Facebook-Kontakt

Bereits im Dezember des Vorjahres beginnt der gebürtige Tschetschene, der als Achtjähriger nach Österreich kam und dessen Vater im Krieg in der Heimat starb, sich für die Terrormiliz zu interessieren. Nachrichten, Fernsehdokumentationen – bald schon aber folgt die Eigenrecherche im Internet. Mitte Juni legt der Malerlehrling dann den Pinsel nieder und fasst den Entschluss, sich in Syrien "die Realität" anschauen zu wollen. Ein gleichaltriger Verwandter stellt via Facebook den Kontakt zu IS-Vermittlern her.

Man habe sich dann "zu einer Art Reisegruppe" zusammengeschlossen, führt Staatsanwältin Sabine Redl aus. Gebucht wird von den beiden Männern ein One-Way-Ticket nach Istanbul. Am 15. Juni heben beide von Wien aus in Richtung "Heiliger Krieg" ab.

"Name, Nummer, Adresse, Internetseite?"

Wie die Kontaktaufnahme nach der Landung in Istanbul passiert sei, möchte Richter Eichinger wissen: "Da steht ja wohl keiner nach der Gepäcksabholung mit einem Schild mit der Aufschrift ,IS', oder?" Ibrahim A. erzählt mit leiser Stimme, dass man noch am Flughafen den Kontaktmann angerufen hätte – und dann mit einem Taxi in eine Wohnung gebracht worden sei. "Name, Nummer, Adresse, Internetseite?", hakt Richter Eichinger nach. A.: "Daran kann ich mich heute wirklich nicht mehr erinnern."

Auf "so acht oder zehn" Gleichgesinnte sei man in der Istanbuler Wohnung gestoßen. "Man hat uns gesagt, dass es in zwei Wochen dann nach Syrien geht. Islamschule und Militär und so", schildert der 18-Jährige.

Doch zu einer Weiterreise kommt es nicht. Ibrahim A. führt vor Gericht aus, er habe in der Türkei auf seinem Mobiltelefon erstmals ein Video gesehen, in dem IS-Milizen aus einem fahrenden Auto heraus auf die Zivilbevölkerung schossen. "Was ist der Jihad für sie?", unterbricht Richter Eichinger. Ibrahim A. "Na wenn man unterdrückten Muslimen hilft." Richter: "Wie helfen?" A.: "Ja auch mit Kampf und so."

"So geil hier"

Schon einen Tag nach der Ankunft in Istanbul meldet sich der junge Mann in Oberösterreich und bittet seine Familie, sie solle ihn heimbringen: "Das war nicht meine Sache. Ich habe nicht gewusst, dass die Zivilisten töten."

"Aus Istanbul haben sie noch die SMS 'So geil hier' versandt", hakt Staatsanwältin Redl nach. "Das hab' ich geschrieben, weil die Türkei so schön ist. Ibrahims Schwester schaltet noch vor der familiären Rückführung die Polizei ein. Womit sich das gerichtliche Nachspiel erklärt. Der Verwandte dürfte nach Syrien weitergereist sein, über sein Schicksal ist nichts bekannt.

Im Jugendschöffenprozess zeigte sich der 18-Jährige, der mittlerweile von der Bewährungshilfe betreut wird und eine neue Lehrstelle in Aussicht hat, reumütig und voll geständig. Er habe "mit IS" abgeschlossen und würde "so etwas nie wieder tun". Das Urteil nimmt er an: 15 Monate teilbedingte Haft, noch nicht rechtskräftig. Zehn Monate davon bedingt. Für die fünf unbedingten Monate wird Strafaufschub gewährt, wenn Ibrahim A. bei Aufklärungsprojekten an Schulen mitarbeitet. (Markus Rohrhofer, 9.9.2015)