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Die Zahl der fremden Tatverdächtigen sank in relativen Zahlen, bei einigen Delikten auch absolut.
Wien – FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache und weitere Abgeordnete seiner Fraktion brachten Anfang Juli eine parlamentarische Anfrage an Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ein. Strache und Kollegen wollten wissen, wie hoch im ersten Halbjahr der Anteil nichtösterreichischer Staatsbürger an den strafrechtlich Tatverdächtigen war.
In einer gleichzeitig übermittelten zweiten Anfrage an die Innenministerin fragten die Freiheitlichen nach der "Gesamtkriminalität im ersten Halbjahr 2015". Auch darin verlangten die Abgeordneten die Veröffentlichung von Staatsangehörigkeit und Aufenthaltstitel der Tatverdächtigen. Wohl um eine mögliche Tendenz erkennen zu können, beantragten sie in diesem Fall auch die Zahlen des Vergleichszeitraums im Vorjahr, also des ersten Halbjahres 2014.
Mehrere Unschärfefaktoren
Ganz grundsätzlich bringt diese Art der Bestimmung einer "Fremdenkriminalität", wie es in der Anfrage heißt, mehrere Unschärfemomente mit sich. Für eine seriöse Interpretation der nun veröffentlichten Daten bedarf es eingangs der Darlegung der Faktoren.
Erstens hängt die Zahl der ermittelten Tatverdächtigen von der Aufklärungsquote der Polizei ab. Die Anzahl der Verdächtigen – egal ob österreichische oder nichtösterreichische Staatsbürger – könnte ganz einfach steigen, wenn die Exekutive mehr Fälle als abgeschlossen einstuft als früher. Eine Aussage über sinkende oder steigende Delikt- und Täterzahlen lässt sich darüber aber noch nicht treffen. Im vorliegenden Fall ist die Veränderung nur marginal. 42,8 Prozent betrug die Aufklärungsquote im ersten Halbjahr 2015 über alle Straftatbestände hinweg. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres lag sie 0,2 Prozentpunkte darüber. Nicht ganz kongruent, aber immerhin ein Wert, mit dem man näherungsweise arbeiten kann.
Zweitens lässt sich aus der Zahl der ermittelten Tatverdächtigen nicht ableiten, ob diese auch schuldig sind. Eine Festnahme, die auf eine Anzeige bei der Polizei folgt, kann vor Gericht genauso gut zu einem rechtskräftigen Freispruch führen. Die Zahl besagt nur, wie vielen Delikten die Exekutive einen Verdächtigen zuweisen konnte. Eine gerichtliche Kriminalstatistik wäre in jedem Fall aussagekräftiger als eine polizeiliche.
Drittens geben die absoluten Zahlen keine Auskunft über den Anteil der Tatverdächtigen an einer ausgewählten Bevölkerungsgruppe. So wurden in Niederösterreich mehr Tatverdächtige ermittelt als im Burgenland – das verwundert nicht weiter, denn Niederösterreich hat eine vielfach höhere Einwohnerzahl. Eine entsprechende Bezugsgröße müsste auch bei der Zahl der in- und der ausländischen Tatverdächtigen angelegt werden – also die österreichischen Tatverdächtigen dem Anteil der Österreicher in der Gesamtbevölkerung und die nichtösterreichischen Tatverdächtigen dem Anteil der Nichtösterreicher gegenübergestellt werden.
Ein solcher Vergleich fällt aber zwangsläufig verzerrt aus. Denn während sich die österreichischen Verdächtigen nur auf die Österreicher in der Wohnbevölkerung beziehen, würden die ausländischen Tatverdächtigen den Ausländern in der Wohnbevölkerung gegenüberstehen, obwohl unter ihnen auch nicht in Österreich wohnhafte Menschen sind – etwa jene, die der "Grenzkriminalität" verdächtig sind und die mit dem Ausländeranteil der österreichischen Bevölkerung nichts zu tun haben. Dieser Umstand führt dazu, dass in fast jedem Staat der Welt Ausländer eine höhere Kriminalitätsbelastung haben als die jeweils Einheimischen.
Weniger tatverdächtige In- und Ausländer
Diese Einflussfaktoren sollten bei der Rezeption der Zahlen stets berücksichtigt werden. Was aber verraten nun die Zahlen aus dem Innenministerium? Laut der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage konnten im ersten Halbjahr 2015 120.018 Tatverdächtige ausgeforscht werden. Im ersten Halbjahr 2014 waren es 124.980 Verdächtige. Ihre Zahl sank also um 4,1 Prozent.
Von Jänner bis Juni 2014 wurden von 7.441.672 Österreichern 81.015 Personen als Tatverdächtige geführt – also 1,09 Prozent. 2015 lebten nur mehr 7.438.848 Österreicher im Land, von ihnen wurden im ersten Halbjahr 75.223 Personen als Verdächtige behandelt. Der Anteil sank also auf 1,01 Prozent.
1.066.114 fremde Staatsangehörige lebten demgegenüber Anfang 2014 in Österreich, und in den ersten sechs Monaten desselben Jahres wurden 43.965 nichtösterreichische Tatverdächtige ermittelt – ein theoretischer Anteil von 4,12 Prozent. Im ersten Halbjahr 2015 stieg die Zahl der fremden Verdächtigen auf 44.795 Personen, doch auch der Anteil fremder Staatsbürger an der Gesamtbevölkerung war mit 1.146.078 Menschen nun höher. Die theoretische Quote sank auf 3,92 Prozent.
Relative und absolute Rückgänge
Strache und Kollegen wollten auch detaillierte Zahlen zu jenen Delikten wissen, bei denen sie offenbar eine besondere Häufigkeit nichtösterreichischer Täter vermuteten: strafbare Handlungen gegen Leib und Leben, strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen und strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung.
Auch hier gibt es durchwegs rückläufige Tendenzen. Bei strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben sank der Wert der ausländischen Verdächtigen an den in Österreich lebenden Ausländern von 1,08 auf 1,06 Prozent. Bei den Eigentumsdelikten ging er von 1,96 auf 1,79 Prozent zurück und bei den Sexualdelikten von 0,041 auf 0,038 Prozent.
In den beiden letzten Fällen war nicht nur ein relativer Rückgang zu beobachten, sondern sogar ein absoluter: Die Zahl der einer Sexualstraftat verdächtigen Ausländer im jeweils ersten Halbjahr sank von 440 auf 430; die Zahl der eines Vermögensdeliktes verdächtigen Ausländer ging von 20.859 auf 20.471 zurück – obwohl heuer um rund 80.000 Ausländer mehr in Österreich leben als im Vorjahr.
Wie eingangs beschrieben, ist die Analyse rein nach Verdächtigenzahlen aus verschiedenen Gründen problematisch; die Werte können höchstens als Indizien verstanden werden. In Relation gesetzt deuten die aus der FPÖ-Anfrage hervorgehenden Daten aber auf einen spürbaren Rückgang dessen hin, was Strache und Mitstreiter "Fremdenkriminalität" nennen. Die meisten tatverdächtigen Fremden kamen übrigens sowohl im ersten Halbjahr 2014 als auch im ersten Halbjahr 2015 aus Deutschland – auch das ist nicht verwunderlich, bilden die Deutschen schließlich die größte Gruppe nichtösterreichischer Staatsbürger im Land. (Michael Matzenberger, 9.9.2015)