Oma ist die Beste – das hat sich auch in der Evolution niedergeschlagen, besagt die "Großmutter-Hypothese".

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Salt Lake City – Der "Großmutter-Hypothese" zufolge verdanken wir unsere Langlebigkeit dem schon seit Jahrtausenden währenden Einsatz von Omas in der Kinderbetreuung. Demnach können Frauen, im Gegensatz zu den meisten anderen weiblichen Säugetieren, auch nach ihrer altersbedingten Unfruchtbarkeit noch lange weiter leben, weil ihre Unterstützung der übernächsten Generation evolutionäre Vorteile bietet.

Aus dieser Sicht war die Hilfe der Großmütter bei der Versorgung kleiner Kinder so wichtig und erhöhte deren Überlebenschancen derart, dass sich in der Folge die Gene von Familien durchsetzten, in denen die Omas besonders lange lebten.

Sicherung der Ernährung

Die Anthropologin Kristen Hawkes (University of Utah) und Kollegen stellten diese Theorie bereits in den 1990er Jahren auf, unter anderem nachdem sie die Lebensweise der als Jäger und Sammler lebenden Volksgruppe der Hazda in Tansania untersucht hatte. Bei den Hazda stellen die Großmütter die Ernährung der bereits abgestillten Kleinkinder mit ausgegrabenen Wurzeln und Knollen sicher, während die Mütter oft schon einen neuen Säugling an der Brust haben.

Die längere Lebenserwartung führte aber auch zu einem Ungleichgewicht im Verhältnis der Geschlechter hin zu mehr Männern, wie Hawkes und ihr Team nun in der Fachzeitschrift "PNAS" berichten. Nachdem immer mehr zeugungsfähige Männer auf die vorhandenen Frauen im fruchtbaren Alter kamen, verschaffte ihnen eine feste Paarbindung in der Folge deutlich höhere Aussichten auf viele Nachkommen als der Versuch, sich mit möglichst vielen Partnerinnen fortzupflanzen.

Paarbeziehungen als Fortpflanzungsvorteil

"Es sieht so aus, als ob der Großmutter-Einsatz für die Entstehung der Paarbindung ausschlaggebend war", so Hawkes. Zusammen mit Statistikern und Mathematikern simulierte sie die Entwicklung einer Gemeinschaft mit und ohne den Einsatz von Großmüttern. In langlebigeren Gemeinschaften konkurrierten demnach mit der Zeit immer mehr – auch im höheren Alter noch – zeugungsfähige Männer um die deutlich geringere Zahl gebärfähiger Frauen.

Die Simulationen zeigten: Über 30.000 bis 300.000 Jahre hinweg stieg der Männerüberschuss durch den "Großmutter-Effekt" von 77 auf 156 Männer pro 100 Frauen an. "Dieser männliche Überhang im Geschlechterverhältnis machte eine Partnerbindung für Männer zu einer besseren Strategie als die Suche nach zusätzlichen Partnerinnen – es gab einfach zu viele andere Kerle als Konkurrenten", so Hawkes.

Diese Theorie widerspricht der sogenannten Jäger-These, die von vielen Anthropologen vertreten wird: Nach dieser hat sich die Paarbindung vor allem dadurch entwickelt, dass ein jagender Mann eine Frau und gemeinsame Nachkommen verlässlich versorgen konnte. Hawkes hält dagegen: "Der Schlüssel, warum Mamas schneller weitere Babys bekommen können, ist nicht Daddy, der den Schinken nach Hause bringt, sondern Oma, die beim Füttern der abgestillten Kinder hilft."

Statistischer Nachweis

In einer früheren Studie hatte Hawkes den Großmutter-Effekt der Hazda mit den Lebensspannen großer Menschenaffen verglichen. Selbst wenn man Hirngröße oder Jagdverhalten herausrechnete, wurde der Effekt sichtbar: Stellen die Großmütter keine wichtige Hilfe dar, sterben die weiblichen Mitglieder der Gruppe meist schon wenige Jahre nach Ende ihrer Fortpflanzungsfähigkeit.

Die menschliche Lebensspanne hingegen habe sich im Verlauf von nur 24.000 bis 60.000 Jahren um 25 bis 49 Lebensjahre verlängert, so die Forscherin. Der Grund liegt für sie auf der Hand: "Länger lebende Großmütter helfen mehr." Ein Großvater-Effekt wurde bisher übrigens nicht ausfindig gemacht. (red, APA, 8.9.2015)