Ankara – Nach einem Anschlag auf türkische Sicherheitskräfte am Sonntag mit mindestens 15 Toten sind am Dienstag türkische Soldaten in den Nordirak eingedrungen. Soldaten einer türkischen Spezialeinheit hätten in einem gebirgigen Gebiet im Nordirak Anhänger der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verfolgt, wie die Nachrichtenagentur Doğan und der Sender CNN Türk berichteten. Demnach wurden die Bodentruppen aus der Luft von Kampfjets unterstützt.

Ein Militärsprecher sagte der Nachrichtenagentur AFP, es handle sich um einen "kurzen Einsatz", um die Attentäter vom Sonntag zu fassen. Die in der Türkei verbotene PKK unterhält im Nordirak mehrere Stützpunkte. Die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu hatte zuvor berichtet, bei massiven Luftangriffen auf PKK-Stellungen im Nordirak seien am Dienstag "35 bis 40 Terroristen" getötet worden. Mehr als 50 Kampfflugzeuge hätten sechs Stunden lang insgesamt 20 Ziele bombardiert.

PKK-Anschlag am Sonntag

Die jüngste Eskalation der Gewalt hatte am Sonntag begonnen: PKK-Anhänger verübten im südtürkischen Dağlıca in der Nähe der irakischen Grenze einen Bombenanschlag auf einen Militärkonvoi. Nach Militärangaben wurden 16 Soldaten getötet und sechs weitere verletzt. Die PKK erklärte noch am Sonntagabend im Internet, ihre Kämpfer hätten bei einem Angriff auf einen Militärkonvoi 15 Soldaten getötet. Es war der mit Abstand folgenschwerste PKK-Angriff seit Mai 1993, als 33 unbewaffnete Soldaten getötet worden waren. Am Dienstag waren bei einem Angriff auf einen Polizeibus weitere 13 Soldaten getötet worden.

Seit dem Ende der Waffenruhe zwischen der Regierung und der PKK Ende Juli lieferten sich Sicherheitskräfte und PKK-Anhänger täglich Gefechte – etwa tausend kurdische Rebellen und hundert Sicherheitskräfte wurden seitdem getötet.

Angriff auf HDP-Zentrale

In der türkischen Hauptstadt Ankara ist das Hauptquartier der Demokratischen Partei der Völker (HDP) angegriffen worden, wie die prokurdische Partei am Dienstag mitteilte. Eine Menschengruppe habe sich vor dem Gebäude versammelt und die Fenster eingeschlagen. Die Polizei war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

In einem Vorort von Ankara griffen dutzende Nationalisten kurdische Saisonarbeiter an und setzten Autos in Brand, wie die Nachrichtenagentur Doğan berichtete. Es habe sieben Verletzte gegeben, darunter zwei Polizisten.

Der Chef der prokurdischen Partei HDP, Selahattin Demirtaş, versuchte die Lage zu beruhigen. "Kurden, Türken, rückt zusammen!", sagte er vor Journalisten. "Der Frieden ist die beste Medizin." Die PKK ließ am Dienstag 20 türkische Bürger frei, unter ihnen zwölf Zollbeamte, die im August in den Nordirak verschleppt worden waren. Ankara bestätigte die Freilassung. Ein PKK-Vertreter sagte, die Gruppe wäre schon eher freigelassen worden, wenn die türkische Luftwaffe keine Angriffe in der Region geflogen hätte. (APA, 8.9.2015)