Graz – Für die aktuelle Renaissance von Holz als Baumaterial gibt es viele Gründe: Verglichen mit mineralischen Baustoffen wie Beton verursachen Holzgebäude bis zu 70 Prozent weniger Treibhausgase, zudem wächst Holz in großen Mengen nach und sorgt für ein angenehmes Raumklima. Was weniger bekannt ist: Holzbauten sind äußerst erdbebensicher – bei entsprechender Bauweise.

Eine wichtige Komponente dafür ist sogenanntes Brettsperrholz (BSP). Bei dieser Methode werden die Gebäude aus kreuzweise verklebten Massivholzbrettern gebaut. BSP wurde vor 25 Jahren am Institut für Holzbau und Holztechnologie an der Technischen Uni Graz entwickelt und hat sich mittlerweile von einem Nischenprodukt zu einem international immer stärker nachgefragten Baumaterial gemausert.

Dank der über Jahrzehnte konsequent betriebenen BSP-Forschung wird das Grazer Institut von Wissenschaftern aus aller Welt besucht, die sich Know-how aus erster Hand holen wollen.

Vor kurzem ist auch eine Gruppe hochrangiger japanischer Politiker nach Graz gekommen, um ein Memorandum of Understanding für eine umfassende Kooperation in Sachen Brettsperrholz zu unterzeichnen. Traditionelle japanische Holzrahmengebäude haben oft über Jahrhunderte den wiederkehrenden Erdbeben standgehalten. Das katastrophale Beben in Kobe 1995 ließ allerdings selbst diese Bauten großteils in sich zusammenstürzen. Dennoch setzen die Japaner weiterhin auf Holz – vor allem seit sie den Holzmassivbau mit BSP kennen.

Spektakulärer Erdbebentest

"Rund zwei Drittel der weltweit produzierten Brettsperrholzplatten stammen aus Österreich", freut sich der Leiter des Grazer Instituts Gerhard Schickhofer, der federführend an deren Entwicklung beteiligt war. Dieser Erfolg kommt nicht von ungefähr, sondern ist das Ergebnis handfester Vorzüge von BSP. Diese wurden vor zwei Jahren in einem spektakulären Versuch nachgewiesen: "Damals haben wir ein dreistöckiges Brettsperrholzgebäude auf eine hydraulische Rüttelplatte gestellt und das schwere Erdbeben von 1979 in Montenegro simuliert", sagt Schickhofer. "Unser Holzhaus musste es mehrmals durchmachen." – Es hielt stand.

Mit der österreichisch-japanischen Vertragsunterzeichnung ist die Top-down-Entscheidung getroffen worden, diese Bauweise flächendeckend in Japan zu implementieren. Beispielsweise bei den Olympischen Sommerspielen 2020 in Tokio. "Das bedeutet neben einem verstärkten wissenschaftlichen Austausch auch Möglichkeiten für Wirtschaftskooperationen", sagt Schickhofer. Wobei die neue Partnerschaft durchaus ausgeglichen sei: "Wir bringen unser BSP-Wissen ein, die Japaner ihr Know-how im Bereich der Erdbebensicherheit."

Um sicherzugehen, dass das österreichische System tatsächlich auch unter japanischen Bedingungen funktioniert, wurde es im größten Erdbebenforschungszentrum der Welt in der Nähe von Kobe einem Härtetest unterzogen. Dabei hat man ein fünfgeschoßiges Gebäude aus Sugi-Brettsperrholz einem künstlichen Beben in der Stärke des verheerenden Kobe-Erdbebens vor 20 Jahren ausgesetzt. Das Ergebnis: keine nennenswerten Schäden.

Ein Hochhaus aus Holz

Aber nicht nur in Japan ist man an der Grazer Entwicklung interessiert: In ganz Europa stehen bereits zahlreiche Ein- und Mehrfamilienhäuser, Schulen, Kindergärten und Sporthallen aus Brettsperrholz. In London wird zurzeit ein neunstöckiges BSP-Hochhaus gebaut, und in Melbourne wurde mit der Library at The Dock vor einem Jahr das erste öffentliche BSP-Gebäude Australiens eröffnet.

Aber auch in anderen Extremsituationen könnten Brettsperrholzbauten eine gute Alternative sein, sagt Schickhofer: "Mit BSP könnte man schnell und günstig hochwertige Flüchtlingsunterkünfte bereitstellen, die nachher als Module etwa für Schulbauten weiterzuverwenden sind." (grido, 12.9.2015)