Das neue Kiang Dine and Wine ist doppelt so groß wie die alte Winebar.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Speisekarte ist in Rubriken geteilt, wer sich an "Challenging" wagt, kann sich am Konsistenzreichtum der chinesischen Küche erfreuen.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Dass es einen der besten Burger und einen der feinsten Apfelstrudel der Stadt im gleichen Lokal gibt, ist bereits erstaunlich. Da verwundert es fast schon nicht mehr, dass dieses Lokal eine Art chinesische Weinbar ist. Joseph Kiang und seine Frau Chenli haben bereits mit der winzigen Kiang Weinbar am Wiener Yppenplatz bewiesen, dass sie kulinarische Kreise quadrieren können. Leider passten dort nie so viele Gäste hinein, wie in den Genuss des köstlichen chinesischen Essens in Tapas-Größe kommen wollten – und der oft erstaunlich gut dazu passenden Weine.

Nun haben die beiden endlich eine passendere Bleibe gefunden, am 17. September wird offiziell aufgesperrt, schon jetzt läuft der Probebetrieb. Ihr neues Kiang Dine and Wine am Servitenplatz ist zwar immer noch nicht riesig, aber gut doppelt so groß wie die alte Unterkunft. Im klassischen Sinn schön ist es nicht geworden – Die Kiangs haben aber nun mehr Platz, ihr Talent als Gastgeber auszuleben und jene entspannt-freundliche Stimmung zu verbreiten, dank deren man das Kiang kaum freiwillig vor der Sperrstunde verlassen will. Und sie haben endlich eine richtige Küche bekommen, in der sie ihre Köstlichkeiten basteln können – und die sind mindestens so gut, wenn nicht noch besser wie zuvor.

China in allen Facetten

Die Kiangs stammen aus sehr unterschiedlichen Ecken Chinas: Joseph wurde in Taiwan geboren, wo sich spätestens seit dem chinesischen Bürgerkrieg 1949 Ess-Stile aus allen Teilen des riesigen Landes mischten. Chenli kommt aus Peking mit seiner nordisch-schweren Küche und der Vorliebe für Weizen und Innereien. Entsprechend vielfältig und bunt zusammengewürfelt ist auch das Angebot auf der Speisekarte – von "Xianbing", Lammsandwiches, die sich an einem der liebsten Snacks Pekinger Muslime orientieren, bis hin zu Sechuan-Klassikern wie Mapo Tofu oder Crossover-Gerichten wie "chinesischen Burgern" oder einem Apfelstrudel mit Roter-Bohnen-Paste. Ebendiese macht ihn extra mürb und unerwartet köstlich. Die Burger aus hausgemachtem knusprigem Brot (ähnlich wie Muffins) werden mit saftigstem geschmortem, gezupftem Schweinebauch statt faschiertem Rind gefüllt – süchtigmachend gut. Und die Wontons sind nach wie vor die vielleicht besten der Stadt.

Ein schöner Überblick

Die Speisekarte ist seit der Übersiedelung in Rubriken geteilt, wer sich an "Challenging" wagt, kann sich am Konsistenzreichtum der chinesischen Küche erfreuen – von knackigen Quallen- und Schweinsohrensalat über weiche "pikante Kutteln" (mit Pekinger, daher durchaus kutteligem Aroma) hin zu den Gaumenschmeichlern "geschmortes Hühnerherz und Magen" und "Lammsulz". Wer noch "lauwarmen Melanzani-Salat nach Sechuan-Art" – cremig, gar nicht fettig, gut – dazunimmt, bekommt einen schönen Überblick.

Gewürzt und geölt wird im Kiang generell etwas zurückhaltender, was selbst Aromabomben wie Mapu Tofu auch für empfindlichere Esser genieß- und kostbar macht. Auch Chilis kommen eher sparsam zum Einsatz. Am besten aber lässt man das Auswählen und kommt gleich mit genug Mitessern, mindestens vier, besser fünf, und bestellt alles auf der Karte – es wäre schade, etwas auszulassen. Der Wein, den Herr Kiang dazubringt, kostet erstaunlich wenig dafür, wie gut er schmeckt und zum Essen passt. Aktuelle Empfehlung: Einsmehr, ein deutscher Silvaner in der Literflasche, und Maquinon, eine herrlich erfrischende spanische Rotwein-Cuvée. (Tobias Müller, Rondo, 11.9.2015)