Belgrad – Serbien dürfte nach gut eineinhalb Jahren erneut vor vorgezogenen Parlamentswahlen stehen. Grund dafür dürfte die jüngste Affäre um Außenminister Ivica Dacic sein, wie serbische Medien am Mittwoch berichteten. Die Entscheidung liegt bei Regierungschef Aleksandar Vucic, dessen Serbische Fortschrittspartei (SNS) auch bei Neuwahlen mit einem Wahlsieg rechnen kann.
Nachdem Enthüllungsjournalisten der Plattform KRIK am Montag Aufnahmen veröffentlicht haben, die einige Jahre zurückliegende Kontakte des Außenministers mit einem derzeit flüchtigen Kokain-Schmuggler dokumentieren, ist Dacic mit der immer lauter werdender Kritik der SNS-Bündnispartner konfrontiert. Eigentlich ist die Affäre um die Kontakte von Dacic mit Rodoljub Radulovic alias Misa Banana in den Jahren 2008 und 2009 längst bekannt – die Fotos davon gelangten aber erst vor wenigen Tagen an die Öffentlichkeit.
Dacic selbst warf seinem früheren Bündnispartner, dem früheren Chef der Demokratischen Partei und Ex-Präsident Boris Tadic, vor, ihn durch die Aufnahmen erpressen zu wollen. Tadic wies die Vorwürfe zurück.
Ermittlungen gefordert
Mehrere SNS-Spitzenfunktionäre forderten nun Ermittlungen in der Affäre. Dacic werde sich der Verantwortung nicht entziehen können, erklärte Vizeministerpräsidentin Zorana Mihajlovic. Premier Vucic jedenfalls habe Radulovic nie getroffen, hielten mehrere seiner Parteikollegen fest.
Dacic selbst hatte nie bestritten, jahrelang mit Radulovic befreundet gewesen zu sein. Als Innenminister (2008-2012) sei er aber von Sicherheitsdiensten nie vor Kontakten mit Radulovic gewarnt worden, argumentierte der serbische Chefdiplomat.
Kaum ein Beobachter zweifelt, dass sich die jüngste Affäre auf die Beliebtheit der bei etwa elf Prozent liegenden Sozialistischen Partei (SPS) von Dacic negativ auswirken wird. Meinungsforscher Vladimir Goatic schloss den Zerfall des Regierungsbündnisses nicht aus. Die SNS könnte dank ihrer Parlamentsmehrheit seiner Meinung nach auch ohne Neuwahlen eine neue Regierung ohne SPS-Beteiligung bilden.
Die derzeitige Regierungskoalition – 208 von 250 Parlamentssitzen – sei zu groß, solche Bündnisse neigten zur Erosion, zeigte sich Goati überzeugt. Die SNS erreichte bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im März 2014 158 Parlamentssitze und könnte alleine problemlos regieren. Gegen Neuwahlen haben sich angesichts der Situation im Lande aber etliche Wirtschaftsexperten geäußert. (APA, 9.9.2015)