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Flüchtlinge auf dem Weg in die nordserbische Stadt Subotica – von dort wollen sie über Ungarn nach Österreich und Deutschland.

Foto: AP Photo/Santi Palacios

Es sind die gleichen Szenen des Leids entlang der gesamten Balkanroute, egal ob an der griechisch-mazedonischen, der mazedonisch-serbischen oder der serbisch-ungarischen Grenze: Tausende Flüchtlinge schlafen in provisorischen Lagern, die meisten unter freiem Himmel. In der Nacht wird es schon kühl in Serbien, die Temperaturen fallen unter zehn Grad. Offizielle Aufnahmelager sind hoffnungslos überfüllt. Aber wenigstens sind sie nicht von Stacheldraht umringt und werden nicht von starken Sicherheitskräften überwacht wie in Ungarn.

Die Situation in Ungarn und die sich gegen die Flüchtlingskrise richtenden Maßnahmen der Regierung in Budapest sind nicht nur ein zentrales Thema der Regierung Serbiens, darüber reden auch die Flüchtlinge in den serbischen Grenzstädten Subotica und Kanjiža, die über Ungarn in Richtung Österreich und dann Deutschland reisen wollen. Belgrad befürchtet, dass sich die Anzahl der Flüchtlinge in Serbien vorübergehend verzehnfachen könnte, wenn es Ungarn schafft, die Grenze dichtzumachen. Und die Flüchtlinge haben panische Angst, dass sie nicht weiterkommen.

Am Montag kamen mehr als 7.000 Flüchtlinge aus Mazedonien nach Serbien. Es ist ein Rekord. In den vergangenen sieben Tagen waren es mehr als 26.000 Flüchtlinge in Kanjiža, das rund 10.000 Einwohner zählt. Rund 25 Prozent der Flüchtlinge in Serbien kommen aus Afghanistan. Einer von ihnen ist Ali, der fast drei Monate unterwegs war, bis er nach Subotica kam. Ali ist verbittert. Nicht wegen der katastrophalen Zustände in seiner Heimat, nicht weil er unter freiem Himmel schlafen muss, sondern wegen der "verdammt unfairen" Politik der Europäischen Union gegenüber den Afghanen.

Flüchtlinge zweiter Klasse

"Syrer, Syrer, Syrer, alles dreht sich nur um die Syrer", beklagt sich Ali. Die seien privilegiert, während die Afghanen als "Flüchtlinge zweiter Klasse" behandelt würden. "Nein", fügt Ali hinzu, "wir werden gar nicht als Flüchtlinge anerkannt, während Syrer nun automatisch den Flüchtlingsstatus bekommen." Dabei dauere der Krieg in Syrien "lediglich vier Jahre", während er in Afghanistan seit "vierzig Jahren tobt". Irgendwer habe entschieden, dass es in Afghanistan keinen Krieg gebe und dass die Afghanen "Armutsmigranten" seien.

Ali hat fast fünf Wochen auf der griechischen Insel Lesbos verbracht, im Flüchtlingscamp in der Nähe von Mytilini. Syrer würden dort binnen eines Tages registriert und Dokumente bekommen, ihnen stünden kostenlos Schiffe zur Verfügung, erzählt er. Afghanen würde man dagegen völlig ignorieren, sie müssten "unendlich lange ausharren". Das Gleiche gelte für die Iraker. "Es gab deshalb schon heftige Auseinandersetzungen und Schlägereien zwischen uns und den Syrern", erzählt Ali. So schaffe man "böses Blut" unter den Flüchtlingen. Auf Lesbos befinden sich derzeit rund 25.000 Flüchtlinge.

Ali empfindet es als eine "himmelhohe Gemeinheit", dass nun Österreich und Deutschland die Grenzen praktisch nur für Syrer öffnen. Daran gibt er den Medien Schuld, die "nur" über Syrer berichten, als ob andere Flüchtlinge nicht existierten. (Andrej Ivanji aus Subotica, 10.9.2015)