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Niederösterreichs Landesrat Wolfgang Sobotka (rechts) verhandelt für die Länder und weist Finanzminister Schelling den Weg.

Foto: APA/Herbert Neubauer

Wien – Hypo-Haftungsorgie in Kärnten, Salzburger Spekulationsskandal und andere Finanzaffairen in Ländern und Gemeinden wären eigentlich ausreichend Anlass gewesen, um das Finanzkorsett der Gebietskörperschaften enger zu schnüren. Doch seit Jahren kommt eine angestrebte Vereinheitlichung und Modernisierung der Rechnungslegungsvorschriften nicht voran. Ein neuer Entwurf von Finanzminister Hans-Jörg Schelling erntet nun viel Kritik.

Sein vergangene Woche vorgelegter Entwurf integriert nämlich die gesamte Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung (VRV) in eine Vereinbarung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Diese sogenannte 15a-Vereinbarung wäre nur bei Zustimmung aller Vertragspartner änderbar, andernfalls verfügen die Länder laut Artikel 3 über ein Kündigungsrecht.

Rechnungshof und Opposition zerpflücken die Vorgangsweise des Ministers und werten diese als negatives Vorzeichen für die Verhandlungen zum Finanzausgleich. "Man hat aus der Vergangenheit nichts gelernt und macht dieselben Fehler immer wieder", warnt Rechnungshofpräsident Josef Moser im Gespräch mit dem Standard.

"Alles versteinert"

Er betont, dass die Rechnungslegung laufend weiterentwickelt werde. Die Umsetzung dürfe dann nicht an die Zustimmung aller Beteiligten gebunden werden. Damit werde "alles versteinert", klagt Moser. Insgesamt drohe, dass finanzielle Risiken in öffentlichen Haushalten auch künftig nicht rechtzeitig erkannt werden. "In Zukunft ohne gesamtheitliche Sicht zu agieren, ist ein fahrlässiger Ansatz", befindet der Chefprüfer der Republik.

In seinen Augen sollte die einheitliche Rechnungslegung einfach per Verordnung festgelegt werden: § 16 Finanz-Verfassungsgesetz begründe hier eine gemeinsame Regelungskompetenz durch Finanzminister und Rechnungshofpräsident. Schelling und Länder argumentieren, dass die Reform die Ermächtigung im genannten Gesetz sprenge und vor dem Verfassungsgerichtshof landen könnte.

Viel Schweiß wegen Heiligenblut

Dem steht die legendäre Heiligenbluter Vereinbarung aus dem Juni 1974 gegenüber, mit der ein VRV-Komitee einberufen wurde, das einvernehmlich Lösungen erarbeiten soll. Auch wenn in mehr als 40 Jahren wenig weitergegangen ist, pochen die Länder auf die Einhaltung des unter Hannes Androsch geschlossenen Pakts. Moser bezeichnet die Heiligenbluter Vereinbarung hingegen als "politische Festlegung, die sich nicht aus der Verfassung ableitet". Diese Haltung hätten in den letzten Wochen auch Gutachter von Bund und Ländern gestärkt, versichert Moser.

Und warum ist dem Präsidenten die Sache so wichtig? In seiner Prüftätigkeit stößt der Rechnungshof immer wieder auf Lücken in der Darstellung des öffentlichen Haushalts. In der von Ländern und Gemeinden gepflegten Kameralistik dominieren immer noch Ein- und Auszahlungen, während der Bund seit 2013 auf die Doppik umgestiegen ist, die auch eine Vermögens- und Ergebnisrechnung enthält.

Haftungs- und andere Risiken

Inkludiert wäre eine exakte Bewertung von Wertpapieren, Derivaten oder Beteiligungen, bei denen es immer wieder zu bösen Überraschungen kommt. Auch (drohende) künftige Belastungen wie Pensionsleistungen, Haftungen oder Prozessrisiken finden sich meist nicht in den Abschlüssen der Gebietskörperschaften. Zudem fehlt in den "Bilanzen" in der Regel das finanzielle Zusammenspiel ausgegliederter Bereiche. Generell sind die Rechenwerke von Ländern und Gemeinden schwer miteinander zu vergleichen. (Andreas Schnauder, 10.9.2015)