Foto: Disney Star Wars
Foto: Nimbus Steelseries Controller

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Bild: Apple TV
Bild: Guitar Hero
Bild: Transistor
Bild: Rayman Adventures
Bild: Manticore Rising
Bild: Shadowmatic
Bild: Beat Sports

Mit dem neuen Apple TV unterstreicht der kalifornische Konzern, dass ihm, wie schon dutzenden anderen Herstellern mit kleinerem Ego, außer Apps auch nichts Revolutionäreres einfällt zur Zukunft des Fernsehens. Zum anderen zeigt Apple mit seiner jüngsten Version der Streaming-Box, dass Konsolenspiele ein interessanter Markt für den Mobile-Giganten sind. Games sollen mit einem eigenen App-Store, Online-Netzwerk, den für Entwickler wichtigsten Programmierschnittstellen und funktioneller Fernbedienung zum festen Bestandteil der Wohnzimmeroffensive werden. Aber ist das auch ein ernsthafter Angriff auf etablierte Spielkonsolen?

Pro

Die größte Gefahr, die von Apples Videospielinitiative ausgeht, ist der Zeitfaktor. So sehr Konsolenhersteller immer behaupten, dass Smartphones und Tablets ihnen nicht das Geschäft wegnehmen, so sehr blenden sie aus, dass jedes neue Spielvergnügen ein weiteres Stück der kostbaren Freizeit der Konsumenten wegschnappt, das sie sonst vielleicht mit der Konsole verbracht hätten. Sollte Apple TV zu seinem vergleichsweise niedrigen Preis großen Anklang in den Haushalten finden, sehen sich Spielkonsolen neben mobilen Geräten mit einer weiteren Alternative konfrontiert. Selbst, wenn Apple TV nicht vorrangig wegen Games gekauft wird, sondern ob der vielen anderen Funktionen von TV über Musik bis zu produktiveren Apps, wird sich jemand in der Familie finden, der es zum Zocken nutzt und deshalb vielleicht auf eine dedizierte Spielkonsole verzichtet.

Hardcore-Gamer wird dies vermutlich nicht überzeugen, doch nach der Präsentation der ersten Titel für Apple TV ist klar, dass damit zumindest zahlreiche Gelegenheitspieler geködert werden sollen. Mit einer von der Wii-Remote abgeschauten Bewegungssteuerung, einem simplen Tastenlayout und einem Touchpad wird eine Vielzahl an Genres abgedeckt. Zur Präsentation zeigte sich das Startportfolio dementsprechend facettenreich – von einer angepassten Version des neuen "Guitar Hero" über den hoch gelobten Platformer "Transistor" und das Jump 'n' Run "Rayman Adventures" bis hin zum "Wii Sports"-Klon "Beat Sports", dem Space-Shooter "Manticore Rising" und dem Schattenpuzzlespiel "Shadowmatic". Für intensivere Erlebnisse bewirbt Apple auf seiner Webseite zudem den Einsatz eines klassischen Controllers von Steelseries, der an eine Kreuzung aus PS4- und XBO-Gamepad erinnert. Über Bluetooth sollen weitere Controller zugelassen werden.

Die stärkste Waffe in Apples Gaming-Division dürfte allerdings der App Store sein und dessen Popularität unter Entwicklern. Mit den richtigen Tools ausgestattet, könnten die propagierten elf Millionen iOS-App-Hersteller auf dem TV den gleichen Boom auslösen, wie schon auf mobilen Endgeräten. Dafür braucht es dann nicht die stärkste Hardware, sondern einfach "nur" kreative Ideen, die die Massen begeistern – auch hier lässt die Wii grüßen. Noch eine Stärke: Mit einer einheitlichen Entwicklungsumgebung für alle Apple-Systeme werden konsumentenfreundliche Konzepte wie Cross-Play erleichtert. Sofern die Steuerung nicht gänzlich anders ist, wird man ein Apple-TV-Spiel unterwegs auf seinem iPad oder iPhone weiterzocken können. Und damit schließt sich dann der Kreis.

Kontra

Gegen die Dezimierung des traditionellen Konsolenmarkts durch Apple TV spricht mindestens ebenso viel wie dafür. Die Mobile-Games-auf-TV-Strategie hat schon bei diversen Android-Konsolen wie der Ouya nicht funktioniert. Um das zu schaffen, müssen gleich mehrere Voraussetzungen gegeben sein: Die massenhafte Verbreitung und nicht zuletzt müssen die Inhalte überzeugen.

Dass Apple Ersteres gelingt, ist dem Marketingexperten zuzutrauen, sollte angesichts vorangegangener Apple TV-Misserfolge aber nicht als selbstverständlich angesehen werden. Der Knackpunkt wird jedoch sein, die Message "Gaming" glaubhaft rüberzubringen. Konsolenhersteller unternehmen Milliarden teure Anstrengungen, um leistungsstarke Hardware und Infrastrukturen herzustellen, selbst Spiele zu entwickeln, diese zu bewerben und Dritthersteller zu fördern. Nintendo, PlayStation, Xbox stehen mit ihrem Namen für Games und Kunden wissen genau, was sie hier bekommen und, dass sie sich auf einen konstanten Nachschub an qualitativ hochwertigen Inhalten verlassen können.

Im Gegensatz dazu hinterließen die Apple-Manager nach der Vorstellung der ersten Apple-TV-Games eher den Eindruck, kein einziges dieser Werke selbst gespielt zu haben – selbst ein gut einstudiertes "So much fun" ändert nichts daran. Der reichste Konzern der Welt unternimmt keine Anstrengungen, selbst Spiele zu produzieren und überlässt das Feld einer Schar an Drittherstellern, die sich in einem chaotischen Umfeld wie dem App Store mit Klonen populärer Titel und abzockenden Free2Play-Minispielen überhäufen. Sollte Apple wirklich einen Fußabdruck am Heimkonsolenmarkt hinterlassen wollen, wird es sich mehr denn je um die Kuratierung und Förderung starker Inhalte kümmern müssen.

Solange die Mehrheit der großen Blockbuster und hochwertigen Indie-Games auf Konsolen zuhause ist, werden sich Konsolenhersteller genauso wenig vor Apple TV und Co. fürchten müssen, wie vor dem Mobile-Boom. Sollte Apple eines Tages tatsächlich ein Interesse daran zeigen, dies zu ändern, könnten Nintendo, PlayStation und Xbox schwere Zeiten bevorstehen. Bis es soweit ist, kann man sich als Konsument getrost zurücklehnen und zusehen, wie sich die Gaming-Welt weiterdreht. (Zsolt Wilhelm, 10.9.2015)