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Stenzel beim Wahlkampfauftakt der FPÖ in Wien.

FOTO: APA/HERBERT PFARRHOFER

Frauen in der Politik sind leider selten. Ursula Stenzel, ein solch seltener Fall, wurde von vielen Innenstädterinnen und Innenstädtern geliebt oder zumindest mit Wertschätzung geachtet. Gegner der frühen Sperrstunde widmeten ihr vor Jahren ein Video: "Ursula, stress ned". Sie war eine Politikerin, die einer touristischen Aushöhlung der Innenstadt den Kampf angesagt hatte und die Lebensqualität nicht an den äußeren Rand Wiens abgeben wollte.

Wer in 1010 Wien lebt, der versteht, dass sich hier ein Kampf abspielt. Ein Kampf zwischen zwei Realitäten. Auf der einen Seite gibt es Familien und Einpersonenhaushalte, die hier leben und aufgewachsen sind. Auf der anderen Seite: Büros und Tourismus, Luxusgeschäfte, Bars, Klubs, Imbissläden und ständig Baustellen.

Leben im Bermuda-Dreieck

Ich wohne seit meiner Geburt im ersten Bezirk. Im Bermuda-Dreieck. Freitags und samstags ist es am Abend vor meiner Haustür sehr hässlich geworden: Menschen, die auf unsere Eingangstür urinieren. Geschrei, das bis in das Schlafzimmer dringt. Taxigehupe, das einen aus dem Schlaf reißt. Wegziehen geht nicht, denn das gängige Klischee eines Wiener Innenstädters erfülle ich nicht: Wegziehen ist zu teuer.

In dieser Situation gab es mit Bezirksvorsteherin Stenzel wenigstens jemanden, die die Verschandelung genauso problematisch sah, tatsächlich aktiv bekämpfte und keine für Politikerinnen und Politiker so typischen Lippenbekenntnisse verteilte. Als – aus meiner Sicht – volksnahste Lokalpolitikerin, die Wien in der jetzigen Legislaturperiode hatte, kämpfte sie für Lebensraum und gegen Verödung.

FPÖ – und nun?

Seit 1. September ist Stenzel jedoch bei der FPÖ. Sie tritt nun für die rechtsnationale Partei an, die Asylwerbern menschenwürdige Unterbringung verweigern will und einen Zaun um ganz Österreich bauen will – die gegen die Idee eines geeinten Europa steht.

Ums Vertrauen gebracht

Ich frage mich: Warum, wie konnte sie? Ist es Opportunismus, Rache an der alten Partei, ein ideologischer Rechtsruck? Ganz gleich, was es auch sein mag, eines ist sicher: Sie hat die Innenstädter um ihr Vertrauen in ihre pragmatische Unnachgiebigkeit gebracht und vor allem der Zukunft der Politik geschadet. Denn solche Handlungen verstören junge Menschen, die auch mitgestalten wollen würden. (Edgar Abensperg-Traun, 11.9.2015)