UAZ-Jeeps sind das wichtigste Verkehrsmittel in der Tolima-Provinz ...

Thomas Wagner

... wo Kämpfe zwischen Armee und Farc vollständig aufgehört haben.

Thomas Wagner

Elf Stunden dauert die Fahrt von Kolumbiens Hauptstadt Bogotá bis in den Süden der Tolima-Provinz. Der russische UAZ-Jeep muss sich anstrengen, um die steilen Serpentinen bis nach La Palmera zu schaffen. Bausoldaten asphaltieren die steinige Piste. Ihre israelischen Galil-Gewehre haben sie über die Schulter geschnallt. Die linke Farc-Guerilla hat im Juli eine einseitige Waffenruhe verkündet. Derzeit verhandeln Regierung und Rebellen in Havanna. Der letzte Waffenstillstand endete im April, als die Rebellen eine Armeeeinheit angriffen und elf Soldaten töteten.

La Palmera ist eines von acht Dörfern des autonomen Territoriums der Nasa, eines kleinen Indianervolks. Der Dorfälteste Virgilio López – militärischer Kurzhaarschnitt, unter dem linken Auge eine markante Narbe – heißt die Besucher willkommen. "Wir haben Strom, eine Sporthalle, eine Schule, gute Böden und gute Luft. Wir leben in einem Paradies", versichert er.

Armee marschierte in Marquetalia ein

Das war nicht immer so. Ende der 1950er-Jahre riefen Kommunisten in dem Dorf Marquetalia oberhalb von La Palmera eine unabhängige Republik aus. Ihr Kommandeur war Manuel Marulanda, bis zu seinem natürlichen Tod 2008 legendärer Anführer der Farc. 1964 marschierte die Armee in Marquetalia ein. Ein bewaffneter Konflikt begann, der Kolumbien bis heute erschüttert.

Die Nasa kamen mit den Farc anfangs gut aus. Doch dann ließen sich einige von ihnen von der Armee als Führer anwerben. Die Rebellen töteten sie aus Vergeltung. Die Nasa rüsteten sich daraufhin mit alten Gewehren des Militärs aus, die ihnen ein Oberst besorgte. Es herrschte Krieg zwischen den 3000 Nasa und den Farc. Nach 30 Jahren waren beide Seiten erschöpft vom Blutvergießen. Virgilio López war zu dieser Zeit der Gouverneur, das gewählte Oberhaupt der Nasa. "Wir hielten eine Versammlung ab, in der uns die Mütter und Waisen fragten, warum wir keine friedliche Lösung suchten."

Als Fußballspieler verkleidet

Zwei Jahre verhandelten Nasa und der lokale Farc-Kommandeur Gerónimo im Geheimen. Ovidio Paya war neben Virgilio López einer der Unterhändler der Indigenen. Am 26. Juni 1996 unterschrieben sie in einem Nachbardorf den Friedensvertrag. Um kein Aufsehen zu erregen, verkleideten sie sich als Fußballspieler. "Wir setzten uns mit Fußbällen in einen Bus und taten so, als ob wir zu einem Spiel fahren würden", erinnert sich Paya. Der Kaffeezüchter zählt einige der sieben Punkte des Paktes auf: "Unsere Gemeinschaft legte ihre Waffen nieder. Wir sagten zu, dass wir uns künftig neutral verhalten würden. Ein weiterer Punkt: Kein bewaffneter Akteur, von welcher Seite auch immer, durfte sich fortan in unserem Territorium längere Zeit aufhalten. Die Guerilla verpflichtete sich außerdem, nicht länger unsere Jugendlichen zu rekrutieren."

Rebellenführer Gerónimo fiel 2011 im Kampf. Doch seine Gefolgsleute hielten sich weiter an den Pakt mit dem Volk der Nasa. Bis heute.

"Wäre Katastrophe für unser Land"

Profitiert habe davon auch die übrige Bevölkerung, sagt der Bürgermeister von Gaitania, einem Marktfleck unterhalb von La Palmera. Wilmar Molina hat an der Wand seines Büros Comics hängen, die die Bewohner vor Minen warnen. Früher seien die Farc auch immer wieder in Gaitania einmarschiert, sagt er. Nach der Einigung mit den Nasa seien die Überfälle deutlich zurückgegangen. Mit der jüngsten Waffenruhe hätten die Kämpfe vollständig aufgehört, nun auch zwischen Armee und Guerilla. "Jeder Rückschritt bei den Verhandlungen in Havanna wäre eine Katastrophe für unser Land", versichert Molina.

Die Unterhändler in Kuba könnten sich einiges von dem örtlichen Friedenspakt abschauen, sagt Molina. "Der Schlüssel liegt im Vertrauen. Der zweite Punkt ist die Glaubwürdigkeit. Hier haben beide Seiten den Pakt eingehalten." (Thomas Wagner aus La Palmera, 11.9.2015)