Seit Wochen protestieren die Menschen in Ägypten gegen korrupte Politiker – wie etwa hier in Kairo.

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Wer in Ägypten Behördengänge zu erledigen hat, weiß, dass die Mühlen ohne Schmiermittel nur langsam oder gar nicht mahlen, egal ob für die Verlängerung des Führerscheins oder die Registrierung einer Wohnung. Bakschisch in kleinen Scheinen für normale Angestellte, große Scheine oder ganze Bündel für leitende Beamte – etwa von Firmen für die Erteilung von Bewilligungen – sind so etwas wie eine inoffizielle Gebühr für staatliche Dienstleistungen. Die administrative Korruption ist allgegenwärtig. Berüchtigt sind vor allem das Gesundheits- und das Landwirtschaftsministerium, wo auch die Entwicklung und Vergabe der riesigen Landreserven in den Wüsten angesiedelt ist.

Im Landwirtschaftsministerium hat Präsident Abdelfattah al-Sisi jetzt ein Exempel statuiert. Der Minister wurde gezwungen, zurückzutreten. Salah Hilal wurde danach sofort zusammen mit mehreren hohen Funktionären verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, von einem Geschäftsmann Schmiergeldzahlungen verlangt zu haben, um ihm als Gegenleistung den illegalen Kauf eines großen Landstücks zu legalisieren.

Ein Umweg für große Unternehmen

Viele Ägypter sind sich einig, dass es den Richtigen erwischt hat. Im Landwirtschaftsministerium arbeiten hunderttausende Beamte, die den staatlichen Einfluss im Agrarsektor von der Düngerzuteilung bis zur Landvergabe organisieren. Es gibt viele Fälle, wo Agrarland unrechtmäßig in Bauland umgewandelt wurde. Der Fall Hilal könnte nun eine ganze Lawine auslösen, denn jetzt sollen alle Landverkäufe der letzten Jahre – möglicherweise bis zurück in die 90er-Jahre – aufgerollt werden.

Auch internationale Firmen werden von Beamten dieses Ministeriums regelmäßig zu Gefälligkeiten angehalten. Sie unterliegen aber meist Complianceregeln, die dem einen Riegel vorschieben sollen. Ausweg ist nicht selten ein Angebot für Ausbildungsmaßnahmen, die immerhin finanzielle Anreize wie Taggelder enthalten.

Enttäuschte Erwartungen

Die grassierende Korruption war einer der Gründe für den Ausbruch der Revolution im Jahr 2011. Damals waren die Hoffnungen groß, dass mit tiefgreifenden Verwaltungsreformen Transparenz gestärkt würde. Passiert ist jedoch nicht viel.

Die meisten Gerichtsverfahren gegen Funktionäre aus der Mubarak-Ära endeten mit Freisprüchen oder geringen Strafen. Transparency International sieht im Korruptionsindex für 2014 Ägypten auf Platz 94 von 175 Ländern und kommt zu dem Schluss, dass sich das Problem zuletzt eher verschlechtert habe. Sogar beim gigantischen Prestigeprojekt des neuen Suezkanals war mangelnde Transparenz ein Thema. Während bei Großaufträgen keine Klagen zu hören waren, berichteten Vertreter der Baubranche, dass bei den vielen Sub- und Subsubunternehmen die gängige Praxis herrschte: Wer einen Teil vom Kuchen wollte, musste zahlen.

Vor einigen Monaten brachte die Regierung eine Antikorruptionsstrategie auf den Weg. Im Juli erließ Sisi jedoch ein umstrittenes Dekret, in dem er sich selbst die Kompetenz einräumte, die Chefs der wichtigsten Aufsichtsbehörden zu entlassen. Ob mit der Verhaftung Hilals wirklich ein systematisches Aufräumen beginnt oder nur ein Bauernopfer gesucht wurde, um die Popularität des Präsidenten hochzuhalten, wird sich deshalb erst noch zeigen müssen. (Astrid Frefel aus Kairo, 11.9.2015)