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Das Kapitol, der Sitz des US-Kongresses, ist seit Monaten eine Baustelle – eine Symbolik, die Donald Trump für sich nützen will.
Donald Trump breitet die Arme aus wie ein Schauspieler, der sich nach gelungenem Auftritt feiern lässt. Die Rockklänge von "It's the End of the World as We Know It" von R.E.M. sind verklungen, und er beugt sich so tief über das Rednerpult, dass seine Lippen das Mikrofon fast berühren. Und wettert gegen den Atom-Deal mit dem Iran: "Noch nie in meinem Leben habe ich ein dermaßen inkompetent ausverhandeltes Geschäft gesehen. Wir werden von sehr, sehr dummen Leuten regiert", ruft er. "Wo man hinschaut, verlieren wir. Nicht mal gegen den IS ("Islamischer Staat", Anm.) gewinnen wir, kaum zu glauben." Das, verspricht Trump, werde sich ändern, sobald er im Oval Office sitze. Also 2017.
Nur fünf Minuten dauert die Rede auf dem Rasen vor dem Kapitol. Der Immobilienmogul sagt eigentlich nichts, er reiht Slogans aneinander, die alle auf eines hinauslaufen: er, der robuste Unternehmer, der sich auskennt in einer Welt, in der nur der Starke Respekt genießt. Er, Donald J. Trump, wird mit harten Bandagen US-Interessen durchsetzen; er wird den Amateuren zeigen, wie man chinesische Billigexporteure mit Zöllen von 25 Prozent in die Schranken weist und an der Grenze zu Mexiko nicht nur eine Mauer hochzieht, sondern die Mexikaner auch noch den Bau bezahlen lässt.
"Der Mann hat Mumm"
Dass Trump mit keinem Satz erläutert, wie er das alles anzustellen gedenkt, stört Carol Skinner nicht. "Der Mann hat Mumm, das allein zählt", sagt die Vermögensberaterin aus Maryland. "Er lässt sich nicht kaufen." Ein Milliardär wie Trump sei niemandem etwas schuldig, er brauche auf keine Interessengruppe Rücksicht zu nehmen. "Genau das, was wir brauchen. Wir brauchen einen Außenseiter, der den ganzen Laden da oben aufmischt."
Mit anklagender Geste zeigt Skinner auf die Kuppel des Kapitols, eine seit Monaten eingerüstete Baustelle, die einen Kongress symbolisiert, in dem Demokraten und Republikaner einander über weite Strecken blockieren. Was sie vom Politikbetrieb hält, lässt sich schon an ihrem T-Shirt ablesen. "Washington, du bist gefeuert", steht unter dem Konterfei Trumps. "You're fired" – so lautete der Spruch, mit dem Trump in seiner TV-Show The Apprentice ungeeigneten Bewerbern den Stuhl vor die Tür setzte.
"Keine Nuancen, immer klare Kante"
Den rigorosen Ton mag auch Ed Hunter, ein Bauarbeiter, die Hose farbbefleckt. An ein fünf Meter hohes Rohr hat er ein Spruchband mit fünf Großbuchstaben geknüpft: T.R.U.M.P. "Keine Nuancen, immer klare Kante", lobt Hunter und wettert über die politische Korrektheit; und auf Einwanderer, die ohne Papiere aus Mexiko kämen und den Charakter des Landes veränderten, bis sich Leute wie er – "Leute mit europäischen Wurzeln" – in der Minderheit wiederfänden. Trump, der Mauerarchitekt, ist sein Mann.
Dass der 69-Jährige noch immer im Mittelpunkt steht, ist schon Überraschung genug. Als er im Juni die Kandidatenbühne betrat, spekulierten Experten nur darüber, wann er wieder verschwinden würde: ob im Juli oder im August. Die Annahme hat sich als Irrtum erwiesen: In der jüngsten CNN-Umfrage vom September kommt Trump unter Anhängern der Republikaner auf 32 Prozent Zustimmung. Nicht einmal verbale Entgleisungen haben seinen Höhenflug gestoppt.
"Schau dir dieses Gesicht an ..."
Megyn Kelly, eine Moderatorin des Senders Fox News, die ihn mit früheren abfälligen Aussagen über Frauen konfrontiert hatte, attackierte er auf übelste Machoart ("Blut kam aus ihr heraus ... wo auch immer"). Über seine Rivalin Carly Fiorina, einst Chefin von Hewlett-Packard, spottete er: "Schau dir dieses Gesicht an, würde das irgendjemand wählen?"
Nichts scheint ihm zu schaden. Im Gegenteil. Vor Jahren plädierte Trump für eine Pflicht zur Krankenversicherung, die noch weiter gegangen wäre als die Gesundheitsreform, die Barack Obama durch das Parlament brachte. In vielerlei Hinsicht sei er wohl eher Demokrat als Republikaner, sagte er 2004 dem CNN-Moderator Wolf Blitzer, "die Wirtschaft scheint unter Demokraten einfach besser zu laufen". Anderen würde die konservative Basis einen Strick daraus drehen – ihm nicht. Auch Ronald Reagan, sagen seine Anhänger, habe sich eine Zeitlang als Demokrat verstanden, bevor er ins republikanische Lager wechselte.
"Wir werden so oft gewinnen ..."
Auf der Wiese vor dem Kapitol spricht Trump jetzt vom Siegen: Nach seiner Schimpfkanonade will er so optimistisch klingen wie Reagan. Bald werde Amerika wieder Erstligatriumphe feiern, verkündet er. "Wir werden so oft gewinnen, dass ihr das Gewinnen irgendwann langweilig findet." (Frank Herrmann aus Washington, 11.9.2015)