Wien – Der Einsatz der Krankenkassen gegen steigende Medikamentenkosten stößt auf Widerstand der chemischen Industrie. Die vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger wiederholt kolportierten Steigerungsraten entsprächen nicht den Tatsachen und lenkten nur von den eigentlichen Kostentreibern ab, kritisierte Fachverbands-Geschäftsführerin Sylvia Hofinger am Freitag.

Auch wenn es im ersten Halbjahr noch Steigerungen von etwa acht Prozent gegeben habe, sei das Wachstum seither deutlich abgeflacht und werde im zweiten Halbjahr nur noch bei drei Prozent liegen. Wenn man die freiwilligen Zahlungen und Rabatte der Pharmaunternehmen mitberücksichtige, betrage die sogenannte "Pharmalücke" zwischen Einnahmen und Ausgaben im Bereich der Arzneimittel lediglich rund zehn Millionen Euro anstelle der vom Hauptverband geforderten 125 Millionen.

"Bewusst hochgerechnet"

Die Zahlen würden vom Hauptverband "offenbar bewusst hochgerechnet, um die Pharmawirtschaft für seine zahlreichen eigenen Versäumnisse zur Kasse zu bitten", hieß es. Die Umsetzung der Gesundheitsreform sei ins Stocken geraten, dringend notwendige Reformschritte würden nach wie vor nicht angegangen. Der Fachverband zählte dazu die 22 Sozialversicherungsträger samt Verwaltungsapparaten auf, verwies auf die hohe Zahl an Spitalsbetten und kritisierte "großzügige Pensionsregelungen bei den einzelnen heimischen Sozialversicherungsträgern".

Die Pharmawirtschaft sei bereit, auch in Zukunft einen Beitrag zur Dämpfung der Ausgaben zu leisten. "Es kann jedoch nicht ernsthaft verlangt werden, dass im internationalen Wettbewerb stehende Unternehmen sämtliche defizitäre Bereiche der Krankenversicherungen querfinanzieren sollen", sagt Hofinger.

Hauptverband weist Kritik zurück

Der Hauptverband der Sozialversicherungen hat die Kritik zurückgewiesen. Die Angaben zu den Kostensteigerungen seien korrekt, hielt der stellvertretende Generaldirektor Alexander Hagenauer in einer Aussendung fest.

Schon seit Mitte des Vorjahres verzeichne man eine "außerordentliche Steigerung des Medikamentenaufwands von acht bis zehn Prozent". Konkret habe es im zweiten Halbjahr 2014 ein Kostenplus von 9,4 Prozent, im ersten Quartal 2015 von 10,5 Prozent gegeben. "Im ersten Halbjahr 2015 liegen uns vorläufige Steigerungsraten von 8,73 Prozent vor", betonte Hagenauer. "Diese Zahlen basieren auf den Daten der Pharmazeutischen Gehaltskasse, die sämtliche öffentlichen Apotheken umfassen und bekanntlich nicht im Naheverhältnis der Sozialversicherung agiert." Der Hauptverband verweist einmal mehr auf "immer stärker und schneller in den Markt drängende Arzneispezialitäten mit immensen Preisvorstellungen, immer häufiger auch in Indikationen, welche die breite Masse betreffen". (APA, 11.9.2015)