Sie kommt auf dürren Beinchen daher, mit breiten Rotorblättern oder flach wie eine Flunder – mal groß, mal klein bis winzig. Gemeint ist die Spezies des "Unmanned Aerial Vehicle" (UAV) für militärische wie auch zivile Nutzung zu Kommerz- oder Hobbyzwecken: die Drohne. "Fliegendes Auge" oder "Gerät für die Selfie-Generation" wird sie häufig auch genannt. Denn heute will scheinbar jeder ein Stück vom Himmel. Spätestens seit der Internationalen Funkausstellung IFA in Berlin, die jüngst zu Ende ging, wird klar: Drohnen sind das neue Lieblingsspielzeug technikaffiner Erwachsener. Schon für wenige Euro kann man sich einen kleinen Quadrokopter kaufen.

Die Schattenseite der sprichwörtlichen Shootingstars: Immer häufiger kommt es in der Luft zu Erfahrungen, auf die man wohl besser verzichten würde – so etwa im Fall einer Lufthansa-Maschine, der im Juli bei der Landung in Warschau ein solcher Miniflieger bedrohlich nahe kam. Um gerade einmal 100 Meter verfehlte der Passagierjet das Fluggerät.

Oder was, wenn Heroin vom Himmel fällt – wie Anfang August über einem Gefängnis im US-Bundesstaat Ohio –, Industrieunternehmen ausspioniert oder Privatleute gefilmt werden?

Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: Reuters/Carlo Allegri

Ein Himmel, viele Regeln

Schätzungen zufolge gehen weltweit monatlich mehr als 300.000 Hobbydrohnen über den Ladentisch. In Europa unterliegen UAVs strengen Regeln. Unbemannte Flugkörper, die in die Kategorie Modellflugzeuge fallen, dürfen bis zu 100 Meter hoch im freien Luftraum aufsteigen und müssen bei privater Nutzung in Sichtweite des Steuerers bleiben. Das Fluggerät darf darüber hinaus nicht über Menschen oder Menschenansammlungen fliegen, Flughäfen im Radius von 1,5 Kilometern sind tabu.

Vor 2008 durften sich größere unbemannte Drohnen nur im gesperrten Luftraum bewegen, dazu gehörten beispielsweise internationale Gewässer, Wüstengebiete oder von Katastrophen betroffene Regionen. Danach schuf die EU die Rechtsgrundlage, um ein UAV von der European Aviation and Safety Agency (EASA) für die Fluggenehmigung im öffentlichen Raum zertifizieren zu lassen.

Doch "Drohnen-Unfälle werden geschehen", hieß es seitens der Kommission schon vor einigen Monaten. Die Flugsicherheitsbehörde EASA soll nun ein Regelwerk für die Nutzung ziviler Drohnen entwerfen. Mögliche Lösungen könnten technischer Natur sein. So könnte man Drohnen etwa mit Software ausstatten, die dafür sorgt, dass sie in gefährlichen Zonen erst gar nicht funktionieren. Start-ups wie DroneShield aus den USA und Dedrone im deutschen Kassel beispielsweise scannen den Himmel bereits per Mikrofon. Nimmt das System das Surren einer Drohne wahr, meldet es den Eindringling via Internet an eine App.

Schuss nach oben, Schuss nach hinten

Hessen und Thüringen testen das deutsche Drohnen-Warnsystem derzeit in Justizanstalten. Neben Unternehmen wie dem Wolfsburger Automobilentwickler Volke AG, der sich damit gegen Industriespionage wappnet, hat sich die Entwicklung bereits bis nach Kentucky, USA, herumgesprochen. Dort hatte ein Privatmann eine Drohne über seinem Grundstück gezielt abgeschossen, als diese über seiner sonnenbadenden Tochter kreiste. Da ihm ein Gericht verboten hat, weiterhin auf Drohnen zu schießen, will der Vater der 16-Jährigen nun wenigstens rechtzeitig wissen, wenn eine Drohne im Anflug ist, um ein Beweisvideo aufzunehmen.

Und die Anfragen nehmen zu, so der Geschäftsführer von Dedrone, Jörg Lamprecht, zum STANDARD. Seit Februar dieses Jahres ist er mit dem Abwehrsystem DroneTracker am Start.

Drohnenüberraschung für Merkel

Gründeten er und sein Partner Ingo Seebach im Jahr 2010 noch das Unternehmen Aibotix zur Herstellung einer Drohne für die zivile Nutzung, lässt ihn ein Vorfall gute drei Jahre später quasi zur Gegenseite wechseln: Im September 2013 wird die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bei einer Wahlkampfveranstaltung von einer Drohne überrascht, die zwei Meter vor ihr abstürzend niedergeht. Der Vorfall geht glimpflich aus. "Doch was, wenn die Drohne mit Sprengstoff beladen gewesen wäre?"

Seitdem späht und horcht das Gerät von Dedrone in den Himmel, sammelt mithilfe zahlreicher Sensoren und einer Kamera die unterschiedlichsten Daten von Flugbewegungen, analysiert sie, schließt Fehlerquellen wie beispielsweise Vögel aus und schlägt gegebenenfalls Alarm. "Bisher ist es gesetzlich nicht geregelt, wann eine Drohne stört und vom Himmel geholt werden darf", begründet Lamprecht die auf Prävention basierende Technik.

Foto: imago/Itar Tass

Auch die US-Behörden beschäftigen sich längst mit dem Thema. Immerhin sind seit Mitte 2014 hunderte Zwischenfälle bei der Flugsicherheitsbehörde Federal Aviation Administration (FAA) eingegangen. Die naheliegende Überlegung: Drohnen sollen künftig miteinander kommunizieren können, um einander in der Luft auszuweichen. Zudem sollen sie Daten zu einer Kontrollstation schicken, die den Drohnenverkehr überwacht.

Gefeilt wird an einem System, das ähnlich funktionieren soll wie die Überwachungstechnik für Passagiermaschinen. Diese sind mit sogenannten ADS-B-Sendern ausgestattet: Per Funk verbreiten sie Informationen unter anderem über ihre Höhe, das Tempo und die Flugrichtung. Allein in den USA sind bis dato 650 solcher Empfangsantennen installiert, die die Funksignale an die Luftraumüberwachung weiterleiten.

Industrie "schreit nach Drohnen"

Ein solches Flugradar will die US-Raumfahrtbehörde Nasa nun auch für den Luftraum unterhalb von 150 Metern aufbauen, wenn kommerziell genutzte Drohnen heuer zugelassen werden. Dabei sollen die Kopter mit denselben Sendern ausgerüstet werden, wie sie auch in großen Maschinen stecken. Kleine Antennen auf dem Erdboden empfangen die Signale und leiten die Daten an die Fluglotsen weiter.

Der Weisheit letzter Schluss? Lamprecht zweifelt. "Auch wenn dieses System eines Tages gesetzlich vorgeschrieben werden sollte, so ist es doch ein Leichtes, sich eine Drohne selbst zusammenzubauen – die Materialien dazu sind allesamt über das Internet verfügbar."

Dabei müssten es überhaupt nicht terroristische Absichten sein, die jemanden eine Drohne bauen lässt. Oft genüge Naivität, die zu Unfällen mit mehr oder weniger fatalen Folgen führen könnte. Lamprecht: "Die Industrie – Stichwort Spionageabwehr – schreit förmlich nach Drohnen. Proportional dazu steigt die Zahl der Abwehr- beziehungsweise Frühwarnsysteme." Die Drohnen würden sich in den nächsten Jahren in den Luftraum integrieren wie der heutige Flugverkehr, so seine Prognose. Die Zahlen geben ihm recht: Die neueste Studie von MarketsandMarkets sieht für die Branche, deren Umsatz derzeit 2,2 Milliarden beträgt, bis zum Jahr 2020 ein Umsatzpotenzial von 5,5 Milliarden Dollar – wohlgemerkt: ausschließlich für zivile kleine Multikopter. (ch, 15.9.2015)