Vor dem bewachten Camp.

Michaela Spritzendorfer-Ehrenhauser

Das Schlaflager.

Michaela Spritzendorfer-Ehrenhauser

Bei der Essensausgabe.

Michaela Spritzendorfer-Ehrenhauser

Wien – Als Michaela Spritzendorfer-Ehrenhauser, Frau des Grünen-Politikers Alexander Spritzendorfer, mit Klaus Kufner und Ilse Lahofer am 9. September nach Röszke an der ungarischen Grenze zu Serbien fuhr, wollten die drei dort nach eigenen Angaben einfach Hilfsgüter abgeben. Tausende Menschen überqueren in der Nähe des Ortes derzeit täglich die Grenze – allein am Donnerstag laut ungarischer Polizei mehr als 3.600. In Röszke gibt es ein Flüchtlingslager, in dem die Menschen festgehalten werden, bis sie registriert sind. In den vergangenen Tagen machte diese Einrichtung Schlagzeilen, da zeitweise hunderte Menschen wegen Überfüllung gezwungen waren, auf einem Feld zu schlafen.

Spritzendorfer-Ehrenhauser beschreibt im STANDARD-Gespräch, wie es zu dem Video kam: "Wir hatten dann noch Medikamente übrig, und da hieß es, die sind für die Flüchtlingssammelstelle gedacht. Also sind wir dort hingefahren." Die Einrichtung sei von Polizei bewacht und von Absperrungen umgeben. "Klaus Kufner hat sich nicht abwimmeln lassen, bis es nach 20 Minuten geheißen hat, okay, wir können hineingehen", sagt Spritzendorfer-Ehrenhauser.

Von oben in Halle gesehen

Als die Besucher aus Österreich die Medikamente im ersten Stock abgeben sollten, habe man nach unten in eine Halle sehen können, wo – so ist es auch im Video zu sehen – offensichtlich Flüchtlinge nächtigen und wo gerade die Essensausgabe im Laufen war. Wie auf dem – laut Spritzendorfer-Ehrenhauser heimlich aufgenommenen – Video zu sehen ist, werden dabei Sackerln mit Semmeln in Richtung der Flüchtlinge geworfen, die sich nach den offensichtlich zu wenigen Essenspäckchen strecken und drängen. Viele rufen und strecken ihre Arme in Richtung der das Essen ausgebenden Beamten aus.

Das Video von der Essensausgabe, aus dem ersten Stock aufgenommen.
youtube/Michaela Spritzendorfer-Ehrenhauser

Dass man diese Szenen zu sehen bekommen habe, sei "purer Zufall" gewesen, sagt Spritzendorfer-Ehrenhauser. Man habe nur eine kleine Kamera dabeigehabt – "ursprünglich wollten wir die Aufnahmen machen, um die Situation meinem Mann und Freunden zeigen zu können", sagt die Helferin. "Wenn ich mir denke, dass da nur ein paar Hundert Flüchtlinge sind in einem Lager, das seit drei Jahren besteht und seit einigen Wochen voll ist, und dann ist das so gar nicht organisiert ...", sagt Spritzendorfer-Ehrenhauser, die beruflich für die Diözese St. Pölten tätig ist.

"Waren stets auf der Hut"

Die Helfergruppe habe keine Gelegenheit gehabt, in dem Lager mit Flüchtlingen zu sprechen; ein Mann habe ihr gedeutet, dass sein Sohn in Handschellen abgeführt worden sei und er den 14-Jährigen nun suche. Andere hätten Zettel mit Telefonnummern oder ihre Pässe in Richtung der Kamera gehalten. "Sie und wir waren stets auf der Hut, dass uns die Polizei nicht dabei beobachtet", sagt sie.

Problematisch sei neben den beobachteten Szenen, dass die Menschen dort keinerlei Informationen bekämen. Vor dem Lager habe sie zwei volle Busse stehen gesehen, in denen vor allem Frauen und Kinder gesessen seien. Nachher seien diese Busse weg gewesen. Freiwilligen Helfern aus Ungarn zufolge werden Flüchtlinge immer wieder in andere Camps transferiert.

Polizei ermittelt

Die ungarische Polizei gab laut Reuters an, man habe nach Veröffentlichung des Videos ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Nähere Details wurden nicht bekannt. Die Nachrichtenagentur zitiert auch den ungarischen Regierungssprecher Zoltán Kovács, der gesagt habe, dass die Flüchtlinge in dem Aufnahmezentrum "im Idealfall" nur ein paar Stunden verbrächten, aber auch zwei Tage dauernde Aufenthalte möglich seien. Kovács sagte auch, er sehe in dem Video "Polizeibeamte, die ihre Pflicht seit Monaten erfüllen und versuchen, 23.000 Menschen zu betreuen, die kontinuierlich jeden Tag ankommen", wofür sie keine Unterstützung bekämen. Kovács laut Reuters: "Ich kann sehen, wie sie versuchen, Ordnung zu schaffen unter jenen, die nicht in der Lage sind, sich für Essen anzustellen."

Kritik von Menschenrechtlern

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat die Zustände in den ungarischen Erstaufnahmelagern an der Grenze zu Serbien laut dpa-Aussendung als "entsetzlich" kritisiert. "Die in Röszke Internierten werden unter dreckigen, überfüllten Bedingungen festgehalten, sind hungrig und entbehren medizinischer Versorgung", erklärte HRW-Nothilfe-Direktor Peter Bouckaert am Freitag.

Die ungarischen Behörden hätten die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass "Migranten und Asylbewerber menschlich behandelt und ihre Rechte respektiert werden". Nach Einschätzung von Menschenrechtlern habe bisher nur das Engagement von Freiwilligen eine Katastrophe in Röszke verhindert. (Gudrun Springer, 11.9.2015)