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Weil die Autos über die Jahre immer geräuschärmer geworden waren und die Unfallrate in der Folge ins Unermessliche gestiegen war, erließ der Gesetzgeber eine neue Verordnung. Ab sofort hätten sämtliche Fahrzeuglenker in innerstädtischem Gebiet die Motorgeräusche selber, also mit der eigenen Stimme, zu produzieren. Bis 30 km/h genüge bei offenem Fenster ein forciertes Murmeln, bis 50 km/h sei ein klar artikuliertes Plärren angebracht, über 50 km/h ein kontrolliertes Schreien. Da ihre Stimmbänder dies auf die Länge nicht mitmachten, begannen die Lenker, ihre vierrädrigen Lieblinge zu schieben, was den zusätzlichen Vorteil hatte, dass man mit entgegenkommenden Schiebern Nachrichten über die Stausituation austauschen konnte. Der Begriff Stoßzeit bekam eine neue Dimension, in der sich Frühgymnastik mit Kaffeetratsch paarte. Bald schon stellte man mit neuen Straßenbekanntschaften Konvois zusammen und tüftelte gemeinsam spaßige Umwege aus. Als die durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit auf unter 5 km/h gefallen war, rauften sich die um den wirtschaftlichen Aufschwung besorgten bürgerlichen Fraktionen zusammen und erwirkten, dass die Verordnung aufgehoben werde. Doch es war zwecklos. Die Automobilisten hatten längst einen Narren an der Schieberei gefressen. (Jens Steiner, Album, 14.9.2015)