Derzeit ist die See zwischen der türkischen Küste und den ostägäischen Inseln wie Lesbos, Samos und Kos ruhig.

Das bedeutet, dass die überfüllten Schlauchboote, auf denen sich hauptsächlich syrische Flüchtlinge über die dortigen Meerengen (zwischen drei und fünf Kilometer breit) wagen, weniger gefährdet sind. Das bedeutet, dass sich derzeit auf diesen griechischen Inseln zehntausende Flüchtlinge sammeln (binnen drei Tagen 22.500 auf Lesbos). Das bedeutet, dass die griechischen Behörden diese Massen aufs Festland transportieren müssen. Das bedeutet, dass die Menschen dann über Mazedonien, Serbien und Ungarn – die "Balkanroute" – nach Österreich, Deutschland und Schweden weiterziehen. Das wiederum bedeutet, dass die Ströme anhalten, solange nicht die Herbststürme in der Ostägäis beginnen, meist im Oktober.

Die Türkei-Ostägäis-Balkan-Route ist der nahezu einzige Weg für die syrischen Flüchtlinge. Denn der Landweg ist an der Grenze Griechenland / Bulgarien / europäische Türkei durch Zäune ziemlich effektiv versperrt.

Womit ein Teil der Frage, was die Flüchtlingskrise an der Wurzel und vor Ort "lösen" kann, realistisch zu beantworten ist: zunächst das Wetter.

Damit wird man sich aber wohl nicht zufriedengeben können. Die anderen Möglichkeiten sind schnell aufgezählt, aber schwer umzusetzen. In der Türkei, dem Libanon und Jordanien sitzen derzeit 3,7 Millionen (!) syrische Flüchtlinge. Deren Situation verschlechtert sich, weil das Geld für ihre Versorgung in den riesigen Lagern ausgeht. Maßnahme Nummer eins muss daher sein, dass die EU und die USA Geld in die Hand nehmen.

Ein Teil der Flüchtlinge wird dann immer noch wegwollen, weil sie nicht mehr glauben, in absehbarer Zeit in ihre kriegsverwüstete Heimat zurückzukönnen. Das ist auch der Grund für den jetzigen Strom, der aber, wie gesagt, durch das Wetter temporär gestoppt werden wird.

Die meisten wollen trotzdem zurück. Aber welche Chance gibt es? Bashar al-Assad führt einen mörderischen Kampf gegen sein Volk. Man (die Nato) könnte eine Flugverbotszone einrichten, dann könnte Assad keine der furchtbaren Fassbomben mehr auf Zivilisten herabregnen lassen. Die Türkei könnte einmarschieren und eine Sicherheitszone schaffen, wohin sich große Teile der Bevölkerung flüchten können (vor Assad und vor dem IS).

Dies bedürfte aber einer Entscheidung vor allem der USA, die bisher in Syrien eher eine Politik des halbherzigen Mini-Interventionismus betrieben. Während Barack Obama zögert, handelt Wladimir Putin: Er schickt Truppen nach Syrien – mit der klaren Absicht, einen Zusammenbruch von Assad zu verhindern. Eine westliche Flugverbotszone richtet sich aber unweigerlich gegen Assad. Putin will allerdings Obama treffen. Darf man auf eine Syrien-Absprache Putin/Obama hoffen?

Unmittelbar kann es nur darum gehen, die Situation in den Lagern zu verbessern und den Griechen, Mazedoniern, Ungarn usw. helfen, das besser zu managen. Bis zum Frühjahr sind dann mehr Einfälle nötig. (Hans Rauscher, 11.9.2015)