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Deutschlands Außenminister Steinmeier (Mitte) konnte die Visegrád-Staaten nicht überreden.

Foto: AP / Petr David Josek

Prag/Budapest/Brüssel/Wien – Die Reise nach Prag war für Frank-Walter Steinmeier vergebliche Liebesmüh. Letztlich ohne Erfolg versuchte Deutschlands Außenminister am Freitag seine Amtskollegen der vier Visegrád-Staaten Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei von einer verpflichtenden EU-Quote zur Verteilung von Flüchtlingen zu überzeugen, von einem "fairen Mechanismus". Doch sie blieben bei ihrem Nein.

"Wir sind überzeugt, dass wir als Länder die Kontrolle über die Zahl der Flüchtlinge haben sollten, die wir bereit sind aufzunehmen", sagte der tschechische Außenminister Lubomír Zaorálek in Prag. Daran änderte auch Steinmeiers Prognose nichts, dass Deutschland allein an diesem Wochenende mit der Ankunft weiterer 40.000 Flüchtlinge rechne.

Weiter geht es nun am Montag, wenn die EU-Innenminister zu einem Sondertreffen zusammenkommen. Dabei soll ein Mechanismus auf freiwilliger Basis beschlossen werden, mit dem 40.000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland auf andere EU-Staaten umgesiedelt werden. Strittig ist hingegen der Plan, 120.000 weitere Flüchtlinge, die sich in Ungarn, Italien und Griechenland befinden, zu verteilen. Just Ungarn, das damit ja entlastet werden soll, stemmt sich gegen dieses Vorhaben. Im Gegensatz zu den beiden anderen Staaten sei man kein Erstaufnahmeland, hieß es als Begründung, man sei also sowieso nicht für diese Flüchtlinge zuständig.

In Sachen EU-Sondergipfel gab es am Freitag etwas Bewegung. Die Einberufung eines solchen bereits im September hatte EU-Ratspräsident Donald Tusk trotz Aufforderung vor allem von Deutschland und Österreich bislang hartnäckig abgelehnt. Nun aber erklärte der Pole via Twitter: "Ohne konkretes Anzeichen von Solidarität und Einigkeit der Innenminister am Montag werde ich im September einen Sondergipfel einberufen." Tusk zeigte sich zuversichtlich: "Nach Kontakten mit den EU-Mitgliedstaaten bin ich heute hoffnungsvoller, dass wir einer Lösung näher sind, die auf Konsens und echter Solidarität beruht."

Krisenfall in Ungarn möglich

Von all den Bemühungen um eine EU-weite Lösung unbeeindruckt wirkte Ungarns Premier Viktor Orbán. Der kündigte am Freitag an, jeden illegalen Einwanderer sofort zu verhaften, sollte die Regierung am Dienstag den Krisenfall ausrufen. Damit könnte unter anderem das Militär den Grenzschutz unterstützen. Am selben Tag tritt auch das verschärfte Einwanderungsgesetz in Kraft. lllegaler Grenzübertritt gilt dann als Straftat und kann mit bis zu drei Jahren Gefängnis geahndet werden. Derzeit wird er noch als Ordnungswidrigkeit eingestuft.

Für Menschenrechtler sind all diese Gesetze ein Verstoß gegen EU-Recht. "Ungarn ist verpflichtet, den Anspruch von Flüchtlingen auf Schutz in jedem Einzelfall zu prüfen", sagte Marta Pardavi, Leiterin des ungarischen Helsinki-Komitees. (ksh, Reuters, dpa, 11.9.2015)