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Flüchtlingskinder spielen in der 'Kids Corner' am Wiener Westbahnhof.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Auf dem Wiener Westbahnhof, der in den vergangenen Wochen zu Österreichs Drehscheibe für Flüchtlinge geworden ist, geht es am Samstag geradezu gemächlich zu. Auf dem Bahnhofsgelände und dem Europaplatz herrscht im Vergleich zu den Vortagen Ruhe, nur da und dort sind Flüchtlingsfamilien zu sehen. "Es ist kein repräsentativer Tag, heute sind erst rund 1200 Leute angekommen und gleich in Zügen nach Salzburg und München weitergeschickt worden", bestätigt Stephan Waldner von der Caritas Samstagmittag den ersten Eindruck.

Auch oben, auf Gleis eins, wo sonst Hunderte von Menschen auf ihre Weiterfahrt warten, ist es ruhig. Der Bahnsteig ist abgesperrt, weiter hinten gibt es Verpflegung für die Leute. Nur wenn ein Zug Richtung Westen, nach Salzburg, nach München abfährt, sammelt sich eine (vergleichsweise kleine) Menschenmenge vor der Absperrung. In 80er-Gruppen finden sie sich zusammen, werden abgezählt, dann öffnen die Polizisten die Absperrung und die Flüchtlinge werden zu ihrem nächsten Zug geführt.

Orban und das leichte Leben

Ein Rucksack, eine Reisetasche, ein paar Plastiksackerl, das ist ihr Gepäck – im besten Fall. Und Stofftiere: fast jedes Kind hat eins im Arm. So sehen die Leute aus, denen Ungarns Premier Viktor Orban unterstellt, sie stellten sich "ein leichtes Leben in Deutschland" vor. Ein leichtes Leben. Das in einem Rucksack, das in einer zerschlissenen Reisetasche, in ein paar Plastiksackerln Platz findet.

Kaum ist die Gruppe abmarschiert, werden die Absperrungen wieder geschlossen, bis zur Abfahrt des nächsten Zuges. Nach einer Pause am Freitag schickt die ÖBB auch heute wieder Sonderzüge, und auch ihre private Konkurrenz, die Westbahn, nimmt Flüchtlinge nach Salzburg mit. "Der Weitertransport funktioniert heute sehr gut. Die Leute, die heute Vormittag mit den Bussen aus Nickelsdorf gekommen sind, waren nur kurz da", erklärt Waldner.

Wenige bleiben

In Österreich bleiben immer noch sehr wenige, am Samstag wurden höchstens zehn Asylanträge gestellt, so Waldner. Wer bleiben möchte, wird vom Bahnhof zur Polizeistation in der nahen Sechshauser Straße gebracht, kann dort seinen Asylantrag stellen.

Zu Mittag gibt es wieder ein wenig Bewegung auf Bahnsteig eins. Vorne, beim Abschnitt 1B, gibt es warmes Essen, und gleich fährt wieder ein Zug nach Salzburg ab. Und wieder stellen sich Flüchtlinge an, und wieder geht es für achtzig Leute weiter Richtung Westen.

Hilfsbereite Wiener

Zwei Wiener, die einen Einkaufswagen voll mit Bananen mitgebracht haben, mühen sich durch die Absperrung. Die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung sei "wirklich großartig", sagt Caritas-Mann Waldner. Als am Freitag warme Decken gebraucht wurden, seien nach einem Aufruf auf Facebook binnen kürzester Zeit Decken dagewesen: 5000 Stück. Und auch die freiwilligen Helfer, die hier in drei Schichten à 50 Leute arbeiten, ließen in ihrem Engagement nicht nach. 40 Minuten, nachdem die Dienste im Internet ausgeschrieben gewesen sind, seien sie auch schon besetzt gewesen.

Der nächste Sonderzug fährt ab, die nächste Flüchtlingsgruppe verlässt den Wiener Westbahnhof. Ein paar ältere Leute, junge Männer, junge Frauen, Kinder, Babys.

Ihr Leben haben sie in einem Rucksack, einer zerschlissenen Reisetasche mit, oder auch nur in einem Plastiksackerl. (Renate Graber, 12.9.2015)