Tankstelle bei Röszke: Schlepper machen ungestört Geschäfte.

Foto: csekö

Bild nicht mehr verfügbar.

Die Alternative ist ein kilometerlanger Fußmarsch.

Foto: Reuters/LASZLO BALOGH

Beim Einbrechen der Dunkelheit füllt sich der Parkplatz der Tankstelle an der serbisch-ungarischen Grenze. Hunderte Personen versammeln sich hier, um Geschäft zu machen: Gleich neben dem streng überwachten Flüchtlingslager floriert das Schlepper-Business.

Es sind Autos mit Kennzeichen aus Serbien, Ungarn und Österreich. Diejenigen, die früher gekommen sind, haben die besten Plätze ergattert – direkt bei der Einfahrt, am nächsten zum Auffanglager Röszke. Die Fahrer halten Ausschau und warten auf Aufträge.

Lange müssen sie nicht warten. Interessenten melden sich ständig. Ihre Kundschaft sind Personen, die unlängst über die Grenze gekommen sind. Flüchtlinge, die Ungarn am schnellsten Weg verlassen wollen.

1000 Euro für 180 Kilometer

Eine fünfköpfige Familie aus Syrien nähert sich dem Parkplatz. Sie wird von Dutzenden Schleppern umkreist und mit diversen Angeboten überhäuft. Einige versuchen mit gebrochenen Arabischkenntnissen zu überzeugen. Die Aggressivität zwischen den Schleppern steigt. Um die Flüchtlinge wird gekämpft. Es kommt zu Tumulten, teilweise zu physischer Gewalt. "Das sind meine Kunden, sie gehören mir", schreit einer der Schmuggler zu den anderen. Vor Ort gilt das Recht des Stärkeren.

"Die Fahrt nach Budapest kostet 1.500 Euro" – erklärt ein Schmuggler mit Goldkette und schlechten Englischkenntnissen. Das Angebot wird nicht angenommen. Schnell geht der Preis nach unten. Schließlich einigt man sich auf 1.000 Euro für eine Autofahrt von knapp 180 Kilometern. Gefahren wird mit zwei Fahrzeugen. Aus strategischen Gründen: "So fallen wir weniger auf", erklärt der Schlepper seinen neuesten Fahrgästen.

derStandard.at

Tolerierte Schlepperei

Bei der Einfahrt der Tankstelle stehen auch Polizisten. Sie greifen nicht ein, obwohl sich die Schlepperszene am Parkplatz direkt vor ihren Augen abspielt. "Die Situation ist uns bekannt", gibt einer der Polizisten zu. Auf die Frage warum niemand eingreift, gibt er keine Auskunft. Ihre Aufgabe ist etwas anderes: Das daneben stehende Flüchtlingslager zu überwachen. Die in Ungarn unter gesetzlichem Verbot stehende Schlepperei wird hier von den staatlichen Organen toleriert.

Besonders kommunikativ sind die Schlepper nicht. "Keine Ahnung was die anderen hier treiben. Ich gehöre nicht dazu", sagt ein junger Mann mit Jogginganzug und Baseballcap. Einige Minuten später verlässt er den Parkplatz mit drei Flüchtlingen im Auto Richtung ungarische Hauptstadt.

Noch schnell abcashen

Lange wird dieser Parkplatz wahrscheinlich nicht mehr die Schlepperzentrale Südungarns bleiben. Die vermutete Änderung der Westbalkanroute nach der Fertigstellung des ungarischen Grenzzauns zu Serbien dürfte das Geschäft der Schlepper an dieser Stelle beeinträchtigen. Experten rechnen damit, dass die Flüchtlinge dann eher über Kroatien und Slowenien Richtung Westeuropa reisen.

So heißt es wohl für die meisten Schlepper vor der unsicheren Zukunft noch einmal richtig abcashen. Und schon wird wieder um die nächsten Fahrgäste gerungen. Diesmal ist die Destination Wien. "Wir wollen uns hier nicht registrieren lassen", erklärt Ahmed, warum er und seine Freunde bereit sind an einen unbekannten Mann einen hohen Betrag für eine kurze Distanz zu zahlen. (Balazs Csekö, Siniša Puktalović, 13.9.2015)