Wenn schon Richard Wagners Rheingold auf dem Programm der Ruhrtriennale steht, dann soll es was mit dem Ruhrgebiet, seiner Bergbau- und Industrievergangenheit und der postindustriellen, migrantischen Gegenwart zu tun haben. Und den anarchistisch revolutionären Bodensatz in der Biografie des späteren Großkomponisten für König, Kaiser und Reich aufwirbeln. Zumindest in einer wortgewaltigen Zugabe von Sitolt dem Hegeling (Stefan Hunstein), der in der Walküre erwähnt wird und hier zum Diener im Hause Wotan avanciert.

Johan Simons, Intendant der Ruhrtriennale bis 2017, spart bei eigenen Regiearbeiten nicht mit ambitionierten Statements. Die halbe Miete hat man hier schon durch die originellen Spielstätten drin. Die Jahrhunderthalle in Bochum ist so was wie die zentrale und nobelste und funktioniert als Theaterraum fabelhaft.

Kein Kollateralschaden

Dem besorgten Wagnerfreund, dem durch die Ankündigung, die Partitur nicht nur durch elektronische Zugaben (Mika Vainios) aufzubrechen, schon angst und bange war, sei Entwarnung signalisiert. Als lautstarke Zugaben brechen die an der einzigen Stelle minutenlang aus, wo das ohne Kollateralschaden fürs Ganze möglich ist – da, wo Wagner selbst den Nibelungen mit Hammer und Amboss die bedeutungsschwangere Klangerzeugung überträgt. Dass sich an der Stelle der Schmied Fafner vor dem Dirigentenpult aufbaut und den Takt vorgibt, macht zwar Effekt, stimmt aber mit Blick auf die Geschichte nur so ungefähr.

Doch bei solchen Details ist Simons als Regisseur auch sonst nicht so pingelig. Er erzählt sein Rheingold vor allem so, dass es in die Jahrhunderthalle passt. Und dann ziemlich konventionell.

Die paar netten Ideen, die auffallen, sind schon anderswo erprobt. Außer jener mit Alberichs Verwandlung in den Riesenwurm. Da jagt er seinen Bruder Mime durch die drei Wasserbecken vor dem Orchester. Etwa erinnert der eingefügte Diener Sintolt sehr an Castorfs Faktotum Patric Seibert, der im ganzen Ring eine gar nicht vorgesehene Hauptrolle spielt. Allerdings rücken der Barkeeper und sein Route-66-Motel in Bayreuth der Gegenwart deutlich näher auf den Pelz als das, nun ja, hübsche Arrangement in Bochum.

Konventionell und nicht neu

Currentzis' Orchester MusicAeterna aus Perm ist auf dem Podium und damit im Zentrum von Bettina Pommers Bühne. Dahinter, auf einem Riesenbaugerüst, die Fassade von Walhall – wirkt gewaltig, ist aber bei genauem Hinsehen eher bescheiden. Und bleibt verrammelt. Dass Simons im Rheingold schon das Ende der Götterdämmerung mitmeint, wird auch sinnfällig durch die Stuckdecke samt Kronleuchter, die postkatastrophisch effektvoll aus dem mittleren Rhein-Wasserbecken ragt. Neu oder besonders ruhrgebiets- oder bergbauspezifisch ist das alles nicht. Und der wortreiche, ins elektronische Intermezzo gebrüllte Text hat nur noch den naiven Charme einer überholten Utopie. Auch wenn der zum Teil von Elfriede Jelinek stammt.

Vokal und darstellerisch wird allerdings einiges geboten. Von Mika Kares Wotan, Maria Riccarda Wesselings Fricka und Peter Bronders Loge über den Sexappeal von Agneta Eichenholz' Freia bis zum enormen Körpereinsatz von Leigh Melrose (Alberich) und Elmar Gilbertsson (Mime) oder Jane Henschels anrührende Oma Erda gab es enormen sängerdarstellerischen Eifer.

Die große Show lieferte auch Teodor Currentzis am Pult. An exponierten Stellen riss es die Streicher von den Sitzen, er selbst tanzte und rockte den Abend durch. Der griechische Shootingstar ließ es knallen, was das Zeug hielt. In Bayreuth wäre der Deckel über dem Graben weggeflogen. (Joachim Lange, 14.9.2015)