Nachtarbeiter unter sich: Claudia Kubista, Günter Schatzl, Farag Said, Régis Mainka und Peter Rodrigues Poveda.

Foto: Alexi Pelekanos / Volkstheater

Wien – Die Scheinwerfer in Fußballstadien stellen nächtens die stärkste zugelassene Lichtquelle im öffentlichen Raum dar. Ein im Flugzeug transportierter Leichnam reist unter dem inoffiziellen Decknamen "Hugo" ("Heute Unerwartet Gestorbenes Objekt"). Und Menschen, die in den fensterlosen Räumen des Wiener Allgemeinen Krankenhauses arbeiten, müssen einen "Lichttag" im Monat freinehmen. Das alles ist Ihnen neu? Dann gehör(t)en Sie vermutlich jener werktätigen Bevölkerungsgruppe an, die tagsüber ihren Dienst versieht.

Für 173.600 von 935.300 Arbeitnehmern in Wien endet der Job aber erst dann, wenn die anderen allmählich aufstehen. Mit einem Feierabendbier um sieben Uhr in der Früh fühlt man sich in der U-Bahn allerdings nicht ganz dazugehörig. Und das ist nicht die einzige Differenz, die NachtarbeiterInnen in Kauf nehmen.

Aus der Perspektive von sieben ebensolchen NachtarbeiterInnen erzählt sich Jessica Glauses Theaterstück Nachtschicht in der neu eröffneten Volkstheater-Dependance Volx Margareten (ehedem: Hundsturm): einem Bodyguard, einer Fledermausforscherin, einem Taxifahrer, einer Luftfrachtangestellten, einem OP-Assistenten, einer Astronomin und einem Tankwart.

Dennoch Gemeinsam-Einschlafen

Sie treten aus dem Dunkel der Bühne wie aus der Nacht selbst, repräsentieren eine Masse (wenn auch nicht die Mehrheit) und variieren verschiedene Sprechpositionen, in die allmählich Bewegung kommt. Ähnlich dem Dokumentartheater der Gruppe Rimini Protokoll, in dem Experten als Laienschauspieler agieren, fallen auch bei Nachtschicht Kunst und Statistik, Theater und Soziologie, Schauspieler und Mensch in eins.

Dabei geht es nicht primär um einen Faktencheck Nachtarbeit, sondern vor allem um die davon berichtenden Persönlichkeiten, um die ganze Wucht der Subjektivität jedes einzelnen hier an die Rampe tretenden Menschen. Sie haben Meinungen und Vorlieben und stehen dafür ein. Schwärmt die eine von der Ästhetik der Nacht, so träumt der andere bloß von getrennten Schlafzimmern (eh mit Gemeinsam-Einschlafen).

Es herrscht LED-Stimmung (Bühne: Jil Bertermann), und für den Sound der Finsternis greifen die sieben selbst zu Elektroschlagwerken, Bass und Elektroorgel (Musik: Joe Masi). Die Erzählungen verknüpfen sich, wachsen auch performativ ineinander. Oft heiter, nie unernst. Mit Nachtschicht gelingt eine schöne, konzentrierte theatrale Feldforschung, sie ist in ihrer Aufrichtigkeit und Mitmenschfokussiertheit jetzt schon nicht mehr aus der Welt zu denken. (Margarete Affenzeller, 14.9.2015)