Dror Mishani, "Die Möglichkeit eines Verbrechens." Deutsch: Markus Lemke. € 20,50 / 333 Seiten. Zsolnay, Wien 2015

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Ein Koffer mit einer Sprengsatzattrappe beschäftigt Inspektor Avraham. Es scheint absurd: Wer sollte einen Kindergarten bedrohen? Gut, man ist in Tel Aviv, da könnten terroristische Motive dahinterstecken, aber Avraham konzentriert sich auf das Zwischenmenschliche. Das Gerücht, dass im Kindergarten misshandelt wird, könnte Eltern veranlasst haben, der Leiterin einen Denkzettel zu verpassen.

Dann gibt es noch einen Vater, der einen Streit mit der Leiterin hatte. Der Mann versorgt zwei kleine Söhne, die Mutter, eine Philippinerin, ist angeblich nach Hause gereist. Nur ist sie dort nie angekommen – und der Mann hat Flugtickets für sich und die Kinder gekauft. Im Kopfkino Avrahams spinnt sich die Szene weiter. So wie sich der Vater eine Geschichte zurechtspinnt, der zufolge er handeln musste, wie er gehandelt hat.

Es ist ein Fall, der die Möglichkeit mehrerer Verbrechen enthält. Faszinierend, wie Dror Mishani diese antagonistischen Gedankenkonstrukte zu einem philosophisch gestimmten Ganzen zusammenführt. (Ingeborg Sperl, Album, 16.9.2015)