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Pete Doherty und Carl Barat bemühten sich Ende August live in Zürich mit ihren Libertines, ein wenig Haltung zu bewahren.


Foto: Epa / Dominic Steinman

Wien – In der Welt des immer auch wegen seiner Defizite beklatschten britischen Vorführwracks und Selbstdarstellungsjunkies Pete Doherty gelten kurzfristige Konzertabsagen seit jeher als Alleinstellungsmerkmal. Als vorige Woche in London ein halbherzig murrendes Publikum nach zweistündiger Wartezeit wieder einmal nach Hause geschickt werden musste, weil innerhalb der Band eine "medizinische Situation" eingetreten sei, brauchte sich also niemand zu wundern. Ausschweifung, Absturz und ein Absacker extra vor dem Bettgehen gehören zum fixen Verweigerungs- und Selbstzerstörungsrepertoire des nach Heroinentzug eigentlich gerade erst gesundgemeldeten Pete Dohertys. Sie machten ihn berühmt, sie machten ihn fertig.

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Seine nun nach elfjähriger Studiopause mit dem Album Anthems for Doomed Youth auch aus finanzieller Not wiederbelebten Libertines zehren von diesem Ruf speziell in einer Zeit, in der die Dienstleistung und Disziplin eines Popstars längst schwerer wiegen als das Auratische. Heutzutage wird in der Presse schon öffentlich ein Schnoferl gezogen, wenn junge Menschen, die Musik machen, zu Mittag während Interviews Bier trinken. Gott. Das Prinzip Keith Richards funktioniert also als Gegentaktik nach wie vor. Wobei Richards erst Junkie wurde, als er reich war – was man von Doherty nicht behaupten kann.

Das ist das Interessanteste, was man über das Comeback der jetzt überall als letzte große Rock-'n'-Roll-Band neben Wanda und Motörhead gefeierten Libertines sagen kann. Die neuen Songs zwischen Sixties-Gedängel und stolperndem Ursprungspunk im Stile Joe Strummers und The Clash handeln wie gewohnt von rauschiger Euphorie und gloriosem Scheitern. Sie haben Refrains, die man auf dem Fußballplatz und im Wirtshaus grölen kann. Und Doherty und Freund Carl Barât singen noch immer, als ob sie gerade mit Gösser gurgeln würden. Das war schon beim Debüt Up the Bracket von 2002 langweilig. Apropos: Produziert hat Jake Gosling, der sonst für Schmuse-Superstar Ed Sheeran oder die Boyband One Direction arbeitet. (Christian Schachinger, 14.9.2015)