Können endlich mal vom Schulstress so richtig entspannen: Aram Arami, Zsa Zsa Inci Bürkle und Max von der Groeben in "Fack Ju Göhte 2".


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Wien – Das pädagogische Naturtalent Zeki Müller funktioniert in der Schule deswegen so gut, weil er ein Antilehrer ist: ein Mann, dem das Wort "Missgeburt" fast noch schneller über die Lippen kommt als seinen "hochbegabten" Schutzbefohlenen.

Im ersten Teil von Fack Ju Göhte ging es darum, dass das System Schule nur noch durch einen Mann von außen zu retten ist – von einem Muskelpaket, in dem ein Mister Richtig steckt, dem sich die Frauen wie in alten Zeiten kichernd oder zeternd unterwerfen. Das fühlte sich stark nach 50er-Jahren an, zumal die menschliche Verbesserung des asozialen Hochstaplers Müller allzu linear vonstattenging. Der riesige Erfolg machte eine Fortsetzung unumgänglich, und dieses Mal setzt Bora Dagtekin (bekannt geworden mit der Sitcom Türkisch für Anfänger) ein paar bessere Schwerpunkte. Er widmet sich nämlich stärker den Schülern, wobei vor allem die Krisenschlampe Chantal (Jella Haase) deutlich an Profil gewinnt.

Auf einer Klassenfahrt in das "Schwellenland" Thailand geht es zwar so hektisch zu, dass man fast schon von ADHS-Kino sprechen müsste. Aber damit "holt" Dagtekin vermutlich wirklich ein Zielpublikum ab, dessen Therapieform – in der besten Szene des Films – das wechselseitige Vorlesen von Whatsapp-Nachrichten ist. Zeki Müller hat selbst, in einer intuitiven pädagogischen Intervention, an die Eltern der jungen Menschen geschrieben.

Es zeigt sich, dass das ein kathartischer Akt ist. Kaum wird das familiäre Gespräch in die Schriftform der Kurznachrichten verlagert, werden die Botschaften gleich länger und bedeutsamer. Das, wovon man nicht sprechen kann, kann man locker texten. So ist es auch nur logisch, dass in einer anderen, sehr witzigen Szene auch das Waterboarding eine neue Form bekommt: Gefoltert wird nicht der Mensch, sondern dessen Telefon. Die Phantomschmerzen sind umso stärker.

Vom Dschungelcamp bis zu Bibi & Tina sichert sich Fack Ju Göhte 2 populärkulturell in jeder Hinsicht ab, diese parodistischen Momente nimmt der Film aber nur so im Vorbeigehen mit, wie das eben ist in einem extrem medial gesättigten Umfeld. Dass die "olle" Lesenötigung Faust von einem gewissen Reclam geschrieben wurde, das ist in diesem Zusammenhang ein naheliegendes Missverständnis, das die Kids dann sogar heroisch aufklären – irgendwo zwischen zwei schnellen Schnitten müssen sie auf Papier gelesen und sich einen Reim gemacht haben.

Frenetischer Abschied

Das eigentliche Bezugssystem aber sind Youtube und jegliche Form elektronischer Selbstpublikation. Dagtekin schafft damit tatsächlich so etwas wie eine Komödie für die Generation Smartphone: Gute wie schlechte Ideen wirbeln wild durcheinander, eine Erzählung gibt es nur noch am Rande, viele Szenen poppen einfach auf und verdünnisieren sich wieder. Vermutlich ist Fack Ju Göhte 2 damit realistischer als der Großteil des gegenwärtigen deutschen Kinos, das hier, in diesem frenetischen Abschied von der Ära des Besinnungsaufsatzes, in den Abgrund seiner künftigen Bedeutungslosigkeit schauen kann. Es sei denn, Chantal macht mal ein Youtube-Tutorial zu Til Schweiger. (Bert Rebhandl, 15.9.2015)